Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem neuen Urteil einen Steuernachteil  für zugteilte „junge Aktien“ nach Kapitalerhöhungen aufgehoben (Az. VIII R 54/14). Der Münchner Steuerexperte Daniel Sahm erklärt, welche Anleger von der Entscheidung profitieren. Von Stefan Rullkötter




BÖRSE ONLINE: Um welche Kapitalmaßnahme geht es im neuen BFH-Urteil?

Daniel Sahm: Es handelt sich um eine Kapitalerhöhung gegen Einlage. Bei dieser sogenannten effektiven Kapitalerhöhung werden den Altaktionären Bezugsrechte zugeteilt. Diese können sie ausüben und gegen Zuzahlung an der Kapitalerhöhung teilnehmen. Alternativ können die Bezugsrechte auch veräußert werden.

Welche Aktionäre profitieren konkret von der Entscheidung?

Das Urteil ist positiv für die Anleger, die Aktien vor 2009 erworben haben und danach ihre Bezugsrechte zum Erwerb von jungen Aktien eingesetzt haben. Der Veräußerungsgewinn der jungen Aktien wird nun - entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung - um die anteiligen Anschaffungskosten der Altaktien gemindert. Wurden die Aktien hingegen nach 2009 erworben, ändert sich nichts an der bisherigen Vorgehensweise nichts. In diesem Fall wird der Wert des Bezugsrechts mit null Euro angesetzt.

Wie wird die Finanzverwaltung auf das neue BFH-Urteil reagieren?

Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung ihren Erlass zur Abgeltungsteuer erneut überarbeiten und das Urteil in allen Fällen anwenden wird.

Müssen vergleichbar betroffene Aktionäre, denen beim Verkauf "junger Aktien" ein Anschaffungspreis von null Euro angesetzt wurde, nun selbst aktiv werden - oder korrigieren Depotbanken automatisch, sobald ein neues BMF-Schreiben kommt?

Es ist noch nicht absehbar, wie das Bundesfinanzministerium auf das Urteil reagieren wird - und ob gegebenenfalls Billigkeitsregelungen für Altfälle getroffen werden. Bis dahin sollte man die Veranlagungen durch einen Einspruch gegen ablehnende Steuerbescheide - nach Möglichkeit - offen halten.

Profitiert bei entsprechenden Altfällen nur, wer sein Besteuerungsverfahren durch einen Einspruch offen gehalten hat, oder gab es hier einen Vorläufigkeitsvermerk der Finanzverwaltung?

Die Veranlagungen sind hinsichtlich dieser Rechtsfrage nicht vorläufig ergangen, so dass bei bestandkräftigen Veranlagungen allenfalls eine Billigkeitsregelung durch die Finanzverwaltung in Betracht kommt.

In wieweit kann das Urteil Auswirkungen auf andere Kapitalmaßnahmen, zum Beispiel die Paypal-Abspaltung von Ebay im Jahr 2015, haben?

Das Urteil betrifft nur den Fall der Kapitalerhöhung gegen Einlage. Das Urteil hat keine Auswirkung auf andere Kapitalmaßnahmen. Hieran sieht man, wie wichtig die Einstufung einer Kapitalmaßnahme für die steuerliche Beurteilung ist. Bei der Ebay/Paypal Abspaltung handelt es sich nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung um eine steuerpflichtige Sachausschüttung. Die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Abspaltung seien nicht gegeben, da PayPal bereits vor Übernahme durch EBay bis 2002 börsennotiert gewesen sei. Eine der Voraussetzungen für eine steuerneutrale Abspaltung sei es aber, dass die ISIN neu vergeben wird und es sich nicht um eine bereits börsennotierte Gesellschaft handelt.

Müssen Ebay-Altaktionäre, denen damals Paypal-Aktien eingebucht wurden, unabhängig vom neuen Urteil jetzt aktiv werden, um steuerliche Nachteile zu vermeiden?

Das Urteil hat leider keine Auswirkungen für Ebay-Aktionäre, die damals an der Kapitalmaßnahme teilgenommen haben. Hier kann man nur hoffen, dass die Gerichte eine andere Auffassung als die Finanzverwaltung vertreten.



Vita: Daniel Sahm ist Steuerberater bei Ecovis BayLa-Union in München und auf Steuerfragen bei Kapitalanlagen spezialisiert. Mehr zu der neuen BFH-Entscheidung lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von BÖRSE ONLINE (30/2017).