Fast täglich kündigen derzeit neue Kandidaten ihr Börsendebüt in Frankfurt an. Dazu zählten allein am Mittwoch der Hamburger Windparkbetreiber Blue Elephant, hinter dem die bayerische Unternehmerfamilie Wacker steht, sowie der Autozulieferer Novem mit der deutsch-niederländischen Eigentümerfamilie Brenninkmeijer, den Eignern der Modehauskette C & A. Beide Emissionen sollen auf über eine Milliarde Euro Unternehmenswert kommen, wie es heißt.
Die Aspiranten wollen nicht nur das günstige Kapitalmarktumfeld für die weitere Expansion nutzen. Die Geschäftsmodelle erfassen teilweise auch neue Markttrends im Zusammenhang mit der Corona-Krise, etwa beim Online-Autohändler MeinAuto, dem Pharmakonzern Apontis oder Europas größter Laborkette Synlab, die von massenhaften PCR-Tests profitiert.
Der Schwarzwälder Getriebeteile-Hersteller hGears wiederum, der demnächst in Frankfurt startet, setzt auf den E-Bike-Boom. Das 1958 gegründete Unternehmen macht bereits ein Drittel seines Jahresumsatzes von 126 Millionen Euro (2020) im Bereich E-Mobilität. Mittelfristig soll sich auch mithilfe des Börsengangs der Umsatz verdoppeln und 60 Prozent des Geschäfts auf Teile für E-Autos und E-Fahrräder entfallen.
Die Dynamik des Auftaktquartals in Frankfurt mit den Milliardenemissionen Auto1 und Vantage Towers dürfte sich somit auch im weiteren Jahresverlauf fortsetzen. "Das Interesse potenzieller Börsenkandidaten ist sehr groß", erläutert EY-Experte Martin Steinbach. "Wir rechnen derzeit mit zwölf bis 16 Börsengängen 2021 - womöglich werden es noch mehr."
Dass gerade das Thema Corona kompliziert ist, zeigt das Beispiel von Synlab, die ihr Börsendebüt an diesem Freitag geben sollte. Das Volumen des Börsengangs ist mit bis zu 770 Millionen Euro am Ende deutlich kleiner ausgefallen als geplant, bei einem Marktkapitalisierung von vier Milliarden Euro. Investoren hätten auf der Roadshow infrage gestellt, ob Synlab sein hohes Ertragsniveau auch nach der Corona-Pandemie halten könne, hieß es dazu.
Suse - die große Unbekannte
Für Furore sorgt unterdessen das Nürnberger Softwareunternehmen Suse, das nach Auto1 und Vantage Towers die dritte milliardenschwere Neuemission des Jahres in Frankfurt stemmen könnte. Vorstandschefin Melissa Di Donato wäre zudem die erste Frau, die in Deutschland einen Milliardenkonzern auf das Parkett bringt.
Der 1992 gegründete Anbieter von Linux-Software kündigte Anfang der Woche an, mit der Ausgabe neuer Aktien 420 Millionen Euro erlösen zu wollen, die in den Schuldenabbau und das weitere Wachstum fließen sollen. "Der Börsengang gibt uns strategische und finanzielle Flexibilität, um unsere langfristige Unabhängigkeit zu sichern", sagte die US-Amerikanerin und Ex-SAP-Managerin Di Donato, die Suse seit zwei Jahren führt.
Bis vor Kurzem war Suse mit seinem Chamäleon-Logo meist nur IT-Experten ein Begriff. Als sogenanntes Open-Source-Unternehmen stellt es die eigentliche Software kostenlos zur Verfügung und verdient mit dem Kundendienst. Im Geschäftsjahr 2019/20 stieg der Umsatz um 17 Prozent auf 500 Millionen Euro, die operative Umsatzrendite lag bei 40 Prozent.
Der schwedische Finanzinvestor EQT, der Suse 2018 übernommen hat, will Anteile abgeben, aber Mehrheitsaktionär bleiben. Der Erlös aus dem Börsengang dürfte somit im Milliardenbereich liegen, der Unternehmenswert zwischen fünf und acht Milliarden Euro.
Damit kann sich Suse in die Serie der großen Neuemissionen des ersten Quartals nahtlos einreihen. Der bislang größte Börsengang des Jahres, Vantage Towers mit 2,3 Milliarden Euro Emissionsvolumen, entwickelt sich seit dem Debüt am 22. März leicht positiv. Mit 26 Euro liegt der aktuelle Vantage-Aktienkurs um fünf Prozent über dem Ausgabepreis von 24,80 Euro. Vantage Towers hat zudem gute Chancen, im Juni in den MDAX zu kommen.