Obwohl Nfon im dritten Quartal erneut schwarze Zahlen schrieb, will Technikvorstand Jan Peter Koopmann seine Meinung nicht ändern. "Ich bleibe dabei: Dass wir aktuell operativ profitabel sind, ist ein Covid-19-Effekt." Das auf Cloud-Telefonie spezialisierte Unternehmen hat die Ausgaben für die Kundenakquise gesenkt, weil sich in der Pandemie viele Firmen mit Investitionen zurückhalten. Die deutlich reduzierten Kosten heben die 2007 gegründete Nfon derzeit in die Gewinnzone.
Abhängig davon, wie sich die CoronaPandemie weiterentwickelt, erwartet Koopmann jedoch nicht, dass "wir 2021 erneut ein positives Ebitda erzielen". Laut dem studierten Wirtschaftsinformatiker ist Nfon aktuell nicht auf Profitabilität ausgerichtet, sondern befinde sich im "Landgrabbing-Modus". Grund: Der Markt für Cloud-Telefonie entsteht gerade erst. Dabei werden Telefonanlagen, die zuvor bei den Unternehmen installiert wurden, in die Cloud verlagert.
Der Betrieb via Internet spart Hardwareinvestitionen, senkt die Gesamtbetriebskosten, wird bedarfsgerecht abgerechnet und ist frei erweiterbar. Nfon wiederum integriert in seine Lösungen von der Telefon- bis zur Videokonferenz alle Formen der Bürokommunikation. Gleichzeitig sind die Münchner in der Lage, jeden Arbeitsplatz unabhängig von Ort und Gerät in kürzester Zeit anzubinden - eine in Zeiten des Corona-bedingten Homeoffice begehrte Fähigkeit. Auch nach dem Abklingen der Pandemie dürfte der Trend zur Heimarbeit das Wachstum zusätzlich stützen.
Wiederkehrendes Wachstum
Marktforscher hatten dem Sektor schon vor Ausbruch des Coronavirus hohe Zuwachsraten prognostiziert. Liegen aktuell europaweit 17 Prozent der 135 Millionen Anschlussstellen in der Cloud, soll sich der Anteil bis 2024 auf 32 Prozent knapp verdoppeln. Zum Vergleich: Das Unternehmen selbst betreut derzeit knapp über 500 000 Anschlusstellen. Eine Zahl, die auch durch Übernahmen erreicht wurde und Nfon in Deutschland zum Marktführer macht. Um den eigenen Marktanteil auszubauen, wollen die Münchner neben dem organischen Wachstum auch weiterhin auf Akquisitionen setzen. Den jüngst mit Klaus von Rottkay an der Spitze neu besetzten Vorstand sieht Koopmann daher als "klares Signal, dass Umsatzwachstum und damit verbunden auch anorganisches Wachstum den höchsten Stellenwert im Unternehmen haben".
Das Geschäft machen aber nicht nur die Wachstumsaussichten, sondern vor allem die wiederkehrenden Erlöse attraktiv. Von den 49,4 Millionen Euro Umsatz in den ersten neun Monaten des Jahres stammten 88 Prozent aus monatlich fließenden Nutzungsgebühren.
"Bei einem Churn, also einer Absprungrate von rund 0,5 Prozent aller Kunden pro Monat, spielen wir unsere Kundenakquisitionskosten um ein Vielfaches über die Vertragsdauer ein", ist Koopmann überzeugt. Eine Erwartung, auf die viele wachsende, aber Verlust machende Unternehmen setzen. Die Börse steht dieser Logik eher skeptisch gegenüber. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Firmen aber hat Nfon in der Corona-Krise die grundsätzliche Profitabilität seines Geschäftsmodells bewiesen, wenn auch vorerst nur aus Versehen.