Nick Price ist Fondsmanager bei Fidelity, dem Geldverwalter, der durch die Arbeit von Peter Lynch geprägt wurde - der 70-Jährige berät das Haus übrigens noch immer. Price versucht, ähnlich an den Märkten zu agieren wie das große Vorbild, auch wenn das inzwischen schwieriger sein dürfte. Geht es nach Price, dann findet man Aktien mit Vervielfacherpotenzial heute vor allem in den Schwellenländern. Was man dabei beachten muss, erklärt er im Interview.

Herr Price, beeinflusst der Investmentstil von Peter Lynch noch heute Ihre Arbeit als Fondsmanager?
Peter Lynch ist eine Investmentlegende. Aber er erreichte seine Erfolge in einer Zeit, in der geringere Informationsmöglichkeiten als heute mehr Raum ließen zum Aufspüren noch unentdeckter Anlagechancen, die erst im Laufe der Zeit ihr Potenzial entfalten. Ich operiere heute in einem deutlich anderen Marktumfeld. Alles ist viel globaler geworden, es gibt vermutlich mehr volkswirtschaftliche sowie unternehmerische Risiken, und mit Sicherheit verbreiten sich Informationen sehr viel schneller. Dennoch gibt es noch immer Gemeinsamkeiten. In den Schwellenländern genießen wir den Luxus, in einem noch weniger effizienten Bereich tätig zu sein. Unser Team kann durch Unternehmensbesuche noch immer viel Mehrwert schaffen. Auch sorgen strukturelle Wachstumschancen in einigen unserer Zielmärkte für eine solide Basis, um bei ausreichender Geduld für eine von uns aufgespürte Investmentidee belohnt zu werden.

Wie würden Sie Ihren eigenen Investmentstil beschreiben?
Ich bin von Haus aus ein vorsichtiger Investor. Das Geld meiner Kunden investiere ich nur in Aktien mit ausreichender Kapitalisierung und in Unternehmen, die nachweislich in der Lage waren, ihre Märkte zu dominieren, und so dauerhaft attraktive Kapitalrenditen erwirtschaften können. Wichtig dabei sind auch Manager, die bereit sind, mit Minderheitsaktionären zu teilen - etwa in Form von Dividenden oder Kursgewinnen. Zudem bin ich nicht bereit, für erwartete Erträge zu viel zu bezahlen. Bringt eine Aktie nicht das Potenzial für einen jährlichen Gesamtertrag von 20 Prozent mit, bin ich nicht interessiert.

Auf Seite 2: Die Umsetzung des eigenen Investmentstils



Wie haben Sie diesen Investmentstil im vergangenen Jahr umgesetzt?
Für meinen Ansatz war 2014 ein interessantes Jahr. Gelegentlich beobachten wir, wie Investoren alle Vorsicht über Bord werfen und spekulativere Aktien in der Hoffnung auf kurzfristige Gewinne in die Höhe treiben. Wenn es gelingt, davon zu profitieren, ist das schön, aber es ist sehr schwierig, dies dauerhaft zu schaffen. Solche Marktphasen sind für mich schwieriger, weil da riskantere Aktien mit geringerer Qualität besser laufen. Aber zum Glück rücken die Fundamentaldaten früher oder später wieder in den Vordergrund. Das passierte etwa im abgelaufenen Jahr in Brasilien. Dort sorgte die Hoffnung auf einen Regierungswechsel zunächst für eine starke Rally bei spekulativeren Aktien. Doch dann kam es zu einer schnellen Kapitulation, als der Regierungswechsel ausblieb. Mein Fonds hinkte zunächst hinterher, doch der Rückstand wurde anschließend mehr als wettgemacht. Ähnlich lief es in der Türkei im ersten Quartal. Negative Nachrichten verunsicherten die Anleger und drückten die Bewertungen. Letztlich wurde dann ein Niveau erreicht, das etwa bei türkischen Bankaktien langfristig hohe Erträge versprach. Das sind gute Beispiele für Ineffizienzen in den Schwellenländern und dafür, wie mit einem kühlen Kopf sowie einer Fokussierung auf Fundamentaldaten langfristig Chancen wahrgenommen werden können.

Wo waren Sie zuletzt der Überzeugung, auf eine Aktie ganz nach dem Geschmack von Peter Lynch gestoßen zu sein?
Es ist möglich, potenzielle Kursverzehnfacher zu entdecken, aber für mich ist es vor allem wichtig, die Kurstreiber für so eine starke Performance zu verstehen und an dieser Position so lange festzuhalten, wie die Anlageidee greift. Das bringt mich dann zurück zu Unternehmen mit der Fähigkeit, überdurchschnittliche Erträge auf das Kapital zu generieren, und zurück zu Managern, die gewillt sind, diese mit den freien Aktionären zu teilen. Wenn ich diesen Eindruck habe, dann sind langfristig tatsächlich sehr hohe Gewinne möglich.

Auf Seite 3: Vorzeigebeispiel am Kap



Können Sie uns ein Beispiel für ein solches Unternehmen nennen?
Ein Beispiel für so eine Aktie ist die südafrikanische Supermarktkette Shoprite. Im Schnitt hat dieses Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren eine Eigenkapitalrendite von 33 Prozent eingefahren. Der Gewinn je Aktie stieg gleichzeitig um 21 Prozent jährlich, und Anleger kamen bei diesem Kursvervielffacher auf eine jährliche Durchschnitts-Performance von 28 Prozent. Als Kurstreiber fungierten dabei eine strukturell wachsende Nachfrage nach Konsumgütern sowie ein vorteilhaftes Wettbewerbsumfeld, das eine überdurchschnittlich hohe Profitabilität ermöglichte. Und ja, Peter Lynch hatte recht: Zumindest im Laufe der Zeit folgt der Aktienkurs den Gewinnen.