Das Nachbarland im Westen Deutschlands macht gerade Schlagzeilen. Da ist zum einen die berühmte riesige Blumenbörse bei Amsterdam. Die steht mehr oder weniger still. Der Handel mit Schnittblumen, eine der wichtigsten Exportbranchen des Landes, liegt fast brach - und das im Frühling, eigentlich die absolute Hochsaison für die Zunft. Blumenzüchter und Händler bleiben auf ihrer Ware sitzen. Normalerweise werden 85 Prozent der Blumen exportiert, jetzt wandern viele Tonnen der grünbunten Pracht in den Schredder.
Das ist nicht das einzige Problem, das die Niederlande gerade beschäftigt. Wie auch Großbritannien und Schweden hatte man es in Sachen Corona-Krise zunächst anders versucht als die europäischen Nachbarn. Während man extreme Risikogruppen wie Senioren und auch Vorerkrankte isolieren wollte, sollte das Gros der wenig anfälligen Bevölkerung weiter seinen Alltag leben. Doch davon ist man inzwischen abgekommen.
Man muss Geld in die Hand nehmen
Und schließlich sind die Niederlande politisch in den Schlagzeilen, denn Finanzminister Wopke Hoekstra erklärte vergangene Woche, sein Land lehne die von Italien und anderen Ländern geforderten Corona- oder Eurobonds ab: "Wir denken, dass das mehr Probleme als Lösungen schafft." Hoekstra sprach sich gleichzeitig dagegen aus, Kredite des Euro-Rettungsfonds ESM ohne jegliche Bedingungen zu vergeben - so der Stand bei Redaktionsschluss. In europäischen Corona-Anleihen sieht man in den Niederlanden den Einstieg in die gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden in Europa.
Doch eine Form des Kompromisses wird es wohl bald geben. Denn letztlich haben alle exportorientierten EU-Staaten - und damit auch die Niederlande - ein ureigenes nationales Interesse daran, die EU zu stabilisieren. Und dafür muss man eben Geld in die Hand nehmen. Interessant ist daher der Vorschlag des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, außerhalb des EU-Budgets Zuschüsse mit einem Gesamtvolumen von zehn oder 20 Milliarden Euro an die am stärksten von der Krise betroffenen Länder zu zahlen. Dies zeigt, dass der anfängliche Grundsatzstreit für oder gegen Eurobonds nun einer pragmatischen Suche nach möglichst schnellen Antworten auf die Krise weicht.
Von Shell über Adyen zu Grand Vision
Die Börse in den Niederlanden entwickelt sich derweil ähnlich wie die anderen europäischen Märkte. Der Leitindex der Amsterdamer Börse, der AEX, musste genauso Federn lassen wie beispielsweise der DAX.
Trotzdem gibt es auch hier spannende Investments für die Zeit nach Corona. Der Mineralölkonzern Royal Dutch Shell beispielsweise will mit dem Gasnetzbetreiber Gasunie und dem Hafen Groningen Seaports das größte Wasserstoffprojekt Europas realisieren. Die Idee: Strom speicherbar machen. Vor der holländischen Küste soll bis 2030 ein Windpark mit einer Leistung von drei bis vier Gigawatt entstehen, bis 2040 sollen es zehn Gigawatt werden. Das würde reichen, um 12,5 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen. Die Partner wollen den Strom aber ausschließlich für die Produktion von "grünem Wasserstoff" verwenden. Fast eine Million Tonnen des alternativen Energieträgers könnten pro Jahr produziert werden. Dies soll das Speicherproblem der erneuerbaren Energien lösen. Durch das Verfahren der Elektrolyse lässt es sich langfristig speichern.
Dass der britisch-niederländische Shell-Konzern umsteuert, ist schon länger ein Thema. Jährlich werden eine bis zwei Milliarden Euro in alternative Kraftstoffe und grüne Energien investiert. Unternehmenschef Ben van Beurden hatte erst im Februar das bayerische Solarbatterieunternehmen Sonnen übernommen. Die langfristige Transformation des Ölmultis gefällt den Investoren.
Spannend ist auch der Zahlungsdienstleister >Adyen. Das Unternehmen gilt als eines der erfolgreichsten Startups der zurückliegenden Jahre. Das Unternehmen wickelt elektronische Zahlungen von Händlern ab. Für die Dienstleistung erhält man einen Anteil am Volumen - ein hochprofitables Geschäft mit guten Wachstumschancen. Dass Adyen rasant wächst, sieht man gut am Hauptsitz des Zahlungsdienstleisters im Zentrum von Amsterdam. Anfangs kam man mit wenigen Etagen aus, seit Jahresbeginn hat Adyen das ganze Gebäude gemietet. Seit dem Börsendebüt vor gut einem Jahr hat sich die Aktie zu einem Liebling der Investoren entwickelt. Zu den Kunden gehören Internetriesen wie Facebook, Netflix und Spotify. Zuletzt wurde auch die Restaurantkette McDonald’s als Kunde gewonnen, was im Jahresverlauf erstmals zu den Erlösen beitragen wird.
Eine Sondersituation besteht beim Brillenhändler Grand Vision. Eigentlich sollte das Unternehmen inzwischen Teil von Essilor Luxottica sein. Schon seit August ist die milliardenschwere Übernahme geplant, wurde jetzt aber wegen Corona noch nicht zum endgültigen Abschluss gebracht. Als Händler passen die Niederländer gut in den neuen Verbund von Essilor, dem weltweit größten Hersteller von Brillengläsern, und Luxottica, dem führenden Anbieter von Brillengestellen mit hochpreisigen Marken wie beispielsweise Ray-Ban oder Oakley. martin blümel