Das hätte man nicht unbedingt erwartet, schließlich hat das Land schwierige Zeiten hinter sich. Vier Jahre Stillstand, kein Wachstum, kaum Investitionen und eine gleichbleibend hohe Arbeitslosigkeit. Zu tun hatte diese Stagnation auch mit den goldenen 2000er-Jahren. Die sind richtiggehend zur Bürde geworden. Damals war das Land noch Vorbild. Das Weltwirtschaftsforum führte Finnland von 2003 bis 2005 auf Rang 1 in der Rubrik "Internationale Wettbewerbsfähigkeit". Vor allem dank Nokia. Bis 2011 war das Unternehmen weltgrößter Handyhersteller - und enorm wichtig für das Land: Ein Prozent aller Arbeitsplätze, fast vier Prozent der Wirtschaftsleistung, ein Drittel aller Forschungsausgaben, das war Nokia einst für die Finnen.
Doch Nokia ist längst eine kleinere Nummer. Und parallel dazu ist es ruhig geworden um das finnische Wirtschaftswunder. Zum einen lähmte der schleichende Niedergang Nokias. Und nahezu parallel dazu musste Finnland zum anderen verkraften, dass die Ausfuhren von Konsum- und Investitionsgütern ins wichtige, aber kriselnde Exportland Russland ins Stocken gerieten. Auch die Touristen aus dem riesigen Nachbarland machten und machen sich rar.
Auf Seite 2: Deutsche "Entwicklungshilfe"
Deutsche "Entwicklungshilfe"
Und trotzdem jetzt das starke Wachstum. Man berappelt sich also. In bekannten Bereichen und in weniger bekannten. "Wir müssen Finnland breiter positionieren, als bloß das Land von Nokia und der Holzindustrie zu sein", sagte Finnlands Handelsminister Kai Mykkänen schon im vergangenen Jahr. Und es scheint zu gelingen. Die Unternehmen haben wieder Aufträge in ihren Büchern. Was auch daran liegt, dass Arbeit in Finnland billiger wurde - die Regierung hat Lohnkürzungen und Mehrarbeit durchgesetzt. Und damit zurückgedreht, was zu Nokias Glanzzeiten aus dem Ruder gelaufen war: der Lohn.
In der Bestenliste des Weltwirtschaftsforums hat man aktuell immerhin Rang 10 inne. Auch dank deutscher Investitionen. Das Autowerk im westfinnischen Uusikaupunki beliefert Daimler, die Meyer-Werft, die 2014 die Schiffsanlagen in Turku übernahm, sitzt auf vollen Auftragsbüchern bis 2025. Und Bayer hat seinen nordischen Hauptsitz in Espoo - eine Ausnahme, die meisten anderen Pharmakonzerne haben Schweden oder Dänemark gewählt.
Auf Seite 3: Im Schatten von Nokia
Im Schatten von Nokia
Auch die Börse ist vielfältiger geworden. Immerhin 134 Unternehmen sind gelistet, die 25 größten bilden den Leitindex OMX Helsinki 25 - welcher in den zurückliegenden Monaten besser lief als der DAX. Neben Nokia gehören die Holzunternehmen Stora Enso sowie UPM-Kymmene zu den Schwergewichten - beide wurden zuletzt in Heft 11/2018 mit "Kaufen" eingestuft. Ebenfalls hoch gewichtet ist der Versorger Fortum, der sich gerade an der Übernahme von Uniper versucht. Mit Abstand größter Wert im Leitindex ist aber die auf die Nordländer fokussierte Nordea-Bank, auch wenn sie ihren Hauptsitz in Schweden hat.
Spannend ist aber auch Neste, ein Mineralölunternehmen und Biokraftstoffhersteller, der mit Letzterem vor allem in den USA große Vertriebserfolge feiert. Die Aktie läuft ebenfalls gut und hat seit unserer Empfehlung im Februar 2016 um fast 145 Prozent zugelegt. Mit einem akzeptablen Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie einer guten Dividendenrendite ist der Titel aber immer noch kaufenswert. Neste ist zudem bei institutionellen Anlegern wichtig geworden und spielt eine bedeutende Rolle in diversen Ökofonds - nicht zuletzt weil das Unternehmen seit Neuestem auf Platz 2 der 100 nachhaltigsten Unternehmen der Welt geführt wird.
Kaufenswert ist auch Kone, einer der vier weltweit größten Hersteller von Rolltreppen und Aufzügen. Dazu kommen Produktionslinien für automatische Türen und Tore. Das Unternehmen wächst stark und ist dank zahlreicher weltweite Akquisitionen inzwischen in 60 Ländern vertreten. Kone wird seit Jahren im US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" in den Top 100 der weltweit innovativsten Unternehmen geführt. Ein ebenfalls interessanter Wert - diesmal aus der zweiten Reihe - ist der Kartonagenhersteller Metsä Board ("board" steht im Englischen für Pappe). Das Unternehmen hat sich in den zurückliegenden Jahren komplett neu aufgestellt und unrentable Bereiche im Papiersegment geschlossen oder verkauft. Inzwischen ist man reiner Kartonhersteller mit Produktionslinien für Faltschachteln und unterschiedlichste Pappen.