Eines der größten Industrieprojekte Europas nimmt gerade nördlich des Polarkreises Formen an, rund 300 Kilometer vor der norwegischen Küste. Demnächst soll die Aasta-Hansteen-Plattform im Nordmeer den Betrieb aufnehmen. Das nach einer norwegischen Feministin benannte Gasfeld wird über die 480 Kilometer lange Polarled-Pipeline den Kontinent mit Gas versorgen. Mehrere Ölmultis haben sich zusammengetan, um die Förderung des Energieträgers in dieser unwirtlichen Gegend zu ermöglichen. An ihrer Spitze steht Equinor, das bis vor Kurzem als Statoil firmierende größte norwegische Unternehmen.



Die Aasta-Hansteen-Plattform steht exemplarisch für die Aufbruchstimmung im hohen Norden. Norwegen profitiert mit seinen immensen Öl- und Gasvorkommen wie kaum ein anderes Land vom wiedererstarkten schwarzen Gold - kürzlich kletterte der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent auf das höchste Niveau seit vier Jahren. Der aufgelöste Investitionstau im wichtigsten Exportsektor färbt auf die Gesamtwirtschaft ab. Erik Bruce, Chefanalyst bei der Finanzgruppe Nordea, geht davon aus, dass sich das Bruttoinlandsprodukt Norwegens im laufenden Jahr um 2,4 Prozent erhöht. 2019 soll die Konjunktur auf ein Plus von 2,7 Prozent beschleunigen.

Osloer Börse: Auf der Gewinnerseite



Allmählich nimmt auch der in den vergangenen Jahren von einer Krise am Häusermarkt gebeutelte private Konsum Fahrt auf. Nordea rechnet hier für 2018 mit einem Plus von 2,3 Prozent. "Es deutet alles darauf hin, dass sich die Belebung des Konsums beschleunigen wird", meint Erik Bruce. Längst ist der Boom im hohen Norden auch an der Osloer Börse angekommen. Während in ganz Europa 2018 bis dato die roten Vorzeichen überwiegen, notiert der OBX knapp zwölf Prozent im Plus.

Zwar beschloss im September die Norges Bank die erste Zinserhöhung seit 2011, doch auch das konnte die Rally nicht stoppen. Erst bei der jüngsten, über die globalen Märkte schwappenden Verkaufswelle geriet Norwegens Leitindex stärker unter Druck. Da sich an den starken Fundamentaldaten des Landes aber nichts geändert hat, bietet sich bei ausgewählten Titeln eine neue Einstiegschance.

Das gilt etwa für Equinor. Unser Favorit aus dem Norwegen-Länderreport Ausgabe 18/2018 nimmt mit vollem Elan an der Ölmarktrally teil. Mit einer Produktion auf Rekordniveau steigerte Equinor den Gewinn im ersten Halbjahr um 17 Prozent auf knapp 8,8 Milliarden US-Dollar. Kepler-Cheuvreux-Analyst Anders Holte geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass der Konzern bis 2020 nach Dividendenzahlungen rund ein Fünftel des aktuellen Börsenwertes an liquiden Mitteln anhäufen wird. Er sieht darin einen Beleg für den Erfolg des Managements in der Neujustierung der Kostenbasis und stuft Equinor auf "Kaufen" herauf.

Im OBX sind auch mehrere Dienstleister aus dem Öl- und Gassektor enthalten. Zu den führenden Spezialisten in der Tiefwasserexploration zählt Subsea 7. Das Unternehmen ist mit seinen Spezialschiffen beispielsweise an der Entwicklung des Aasta-Hansteen-Felds beteiligt und agiert 1300 Meter unter dem Meeresspiegel als Leitungsinstallateur. Die britische Bank Barclays hat Subsea 7 gerade zum Top-Pick unter den Öldienstleistern gekürt. Neben der Fokussierung auf den Offshore-Bereich argumentieren die Analysten mit der Liquidität sowie den Allianzpartnern des Unternehmens.

Darüber hinaus bringt die Aktie einen Schuss Übernahmefantasie mit. Subsea 7 könnte mit seiner einzigartigen Aufstellung Branchenriesen wie Schlumberger oder Baker Hughes auf den Plan rufen. Großaktionär Kristian Siem, der Warren Buffett Norwegens, gilt außerdem als Verfechter einer Branchenkonsolidierung.

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Lachszüchter: Reicher Fang



Nach Öl und Gas ist Fisch das zweitwichtigste Exportgut Norwegens. Gefragt ist vor allem der Atlantik-Lachs. Von Januar bis Juni legten die Ausfuhren um sieben Prozent auf eine Rekordmenge von 556 000 Tonnen zu. Das Norwegian Seafood Council erwartet, dass die Exporte im zweiten Halbjahr weiter steigen.

Entsprechend positiv sind die Aussichten für Marine Harvest. Nach einer Delle 2017 dürfte der weltgrößte Lachszüchter beim Profit im laufenden und nächsten Jahr prozentual zweistellig wachsen. Angesichts dieser Aussichten kann Investoren bei einem 2019er-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,5 und einer Dividendenrendite von über fünf Prozent der Mund durchaus wässrig werden. Wir erhöhen Kursziel und Stoppkurs.

Bei Storebrand halten wir an der im Mai ausgesprochenen Kaufempfehlung fest und passen Ziel- und Stoppkurs nach oben an. Dem Versicherer dürfte die geldpolitische Straffung der Notenbank in die Hände spielen. Schon vor dem jüngsten Zinsschritt florierte das Geschäft, im zweiten Quartal hat Storebrand die Analystenerwartungen deutlich übertroffen. Am 24. Oktober präsentiert das Management die nächste Zwischenbilanz - möglicherweise hat der Finanztitel seinen jüngsten Schwächeanfall dann bereits wettgemacht.



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Auf einen Blick: Norwegen