Aktionäre von Statoil, Yara und Co können sich die Quellensteuer zurückholen. Aber Auskünfte deutscher Finanzämter führen in die Irre. So gehen Sie richtig vor. Von M. Schreiber und B. Watermann
Mit satten Dividendenrenditen glänzen norwegische Unternehmen wie Statoil, Marine Harvest oder Yara. Doch wie immer bei Auslandsdividenden sollten deutsche Dividendenjäger die dortigen Steuerbestimmungen im Blick haben, gerade in Norwegen gelten Besonderheiten. Deutschen Anlegern wird zunächst die Hälfte der Dividende weggesteuert.Norwegen behält nämlich 25 Prozent Quellensteuer ein, und die deutsche Depotbank zieht für den deutschen Fiskus ihrerseits ebenfalls 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ab. Anders als bei manch anderen Ländern möglich, ist den Banken jegliche Anrechnung der norwegischen Abgabe auf die deutsche Abgeltungsteuer verwehrt.
Wie Anleger vorgehen müssen, um sich die überzahlte Steuer über die Einkommensteuererklärung zurückzuholen, regelt ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 15. November 2011 (Az. IV C 1 - S 2406/ 10/1001:002). Demnach müssen sich Anleger zunächst in Eigenregie bei den norwegischen Behörden um eine Rückerstattung der Quellensteuer kümmern. Sie haben laut BMF-Schreiben die Wahl zwischen einer "vollständigen oder teilweisen Erstattung" der Quellensteuer über einen Antrag auf "shielding deduction" oder einer teilweisen Rückerstattung per Antrag nach dem deutsch-norwegischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Solange nicht klar sei, welches Verfahren der Anleger wähle, könne man in Deutschland keinen Cent anrechnen.
Der Haken an dem Erlass ist jedoch, dass er in seiner Kernaussage schlicht falsch ist. Zwar gibt es in Norwegen tatsächlich die genannten zwei verschiedenen Verfahren. Über einen Antrag auf "shielding deduction" kann man jedoch - anders als vom deutschen Fiskus dargestellt und zuletzt auch in Ausgabe 20/2016 geschildert - keine Vollerstattung von Quellensteuern erreichen. Fakt ist: Der Antrag auf Teilrückerstattung nach dem DBA Norwegen ist für deutsche Anleger klar die bessere Wahl.
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"Shielding deduction" ist ungünstig
Nach norwegischem Recht bleiben Dividenden in Höhe eines fiktiven risikofreien Zinsertrags aus dem investierten Kapital steuerfrei; dessen Höhe legen die norwegischen Behörden jährlich fest. Der steuerfreie Betrag ist für jede Beteiligung an einer norwegischen Aktiengesellschaft getrennt zu ermitteln. Entscheiden sich deutsche Investoren für die "shielding deduction", müssen sie dem norwegischen Fiskus neben den Infos zur Dividendenzahlung formlos auch den genauen Kaufzeitpunkt der Aktien und die dabei investierte Summe nennen.
Wie die Rückerstattung der Quellensteuer nach diesem Verfahren läuft, zeigt ein fiktives Beispiel: Ein Anleger kauft anno 2015 für 10 000 norwegische Kronen 200 Aktien und kassiert 6,50 Kronen Dividende pro Aktie. Der fiktive risikofreie Zinsertrag für 2015 soll 1,1 Prozent betragen. Die Gesamtdividende beträgt 1300 Kronen (200 Aktien multipliziert mit 6,50 Kronen). Darauf erheben die norwegischen Behörden 25 Prozent Quellensteuer (325 Kronen).
Bei der "shielding deduction" bleibt von der Gesamtdividende von 1300 Kronen ein Teilbetrag von 110 Kronen (1,1 Prozent von 10 000 Kronen) nachträglich steuerfrei. Der quellensteuerpflichtige Betrag wird auf 1190 Kronen reduziert, die Quellensteuer darauf beträgt nur noch 297,50 Kronen. Die Differenz zum bisherigen Steuerabzug (325 Kronen minus 297,50 Kronen gleich 27,5 Kronen) bekommt der Anleger zurück.
Die zweite Antragsvariante bringt eine wesentlich höhere Rückerstattung: Deutsche Anleger erhalten zehn Prozentpunkte der erhobenen abgezwackten Steuer aus Norwegen zurück - in unserem Beispiel wären das 130 Kronen. Das Erstattungsverfahren ist unkompliziert und kostenfrei. Ein Formular gibt es nicht. Man benötigt für das Erstattungsverfahren nur drei Dinge: eine Ansässigkeitsbescheinigung des deutschen Fiskus, die bestätigt, das man in der Bundesrepublik als Steuerzahler gemeldet ist (ein Formular gibt es auf der Homepage des Bundeszentralamts für Steuern), den Dividendenbeleg, aus dem der Quellensteuerabzug hervorgeht, und ein einfaches, formloses Anschreiben an die norwegische Erstattungsbehörde (Adresse auf www.steuerliches-infocenter.de), in dem man um Rückerstattung bittet. Geben Sie gleich die Kontoverbindung mit IBAN und BIC-Code an.
Die verbleibenden 195 Kronen behält der norwegische Fiskus für sich. Verloren ist das Geld nicht. Diesen Anteil rechnet der hiesige Fiskus über die Steuererklärung auf die schon bezahlte Abgeltungsteuerschuld an. Umgerechnet in Euro erhält der Anleger damit auch die 195 Kronen per Steuerbescheid zurückerstattet. Anleger müssen dafür die Anlage KAP einreichen und auf der Rückseite des Formulars die Zeile 51 "Anrechenbare, aber noch nicht angerechnete Quellensteuer" ausfüllen.
Tipp: Anleger halten ihren deutschen Steuerbescheid so lange per Einspruch offen, bis die Rückvergütung aus Norwegen über die Bühne ist. Manchmal verweigern deutsche Finanzämter nämlich die nachträgliche Anrechnung von Quellensteuern, weil der heimische Steuerbescheid bereits rechtskräftig geworden ist. Anleger wehren sich dagegen mit einem Hinweis auf die Kurzinformation Internationales Steuerrecht der Oberfinanzdirektion Münster vom 3. Januar 2012 (Az. 1301 - 35 - St 45-32).