Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) vorige Woche mit der Wiederaufnahme ihrer Anleihenkäufe die Geldschleusen erneut weit geöffnet hat, um die angeschlagene Konjunktur zu stützen, rechnet immerhin fast ein Drittel der von Reuters befragten Analysten und Finanzmarktteilnehmer damit, dass auch die Schweizer Währungshüter die Zinsen senken. Bereits am Mittwoch - nur einen Tag vor der SNB - dürfte die US-Notenbank (Fed) ihre Zinsen weiter senken.

"Ich glaube, dass die SNB nichts ändern wird, aber es wird eine knappe Entscheidung", sagte Ökonomin Nadia Gharbi von der Schweizer Privatbank Pictet. Es gebe viele Faktoren wie den Brexit oder zunehmende Spannungen zwischen Europa und den USA, die den Druck auf die SNB erhöhen könnten. "Es gibt große Unsicherheiten, daher könnte die SNB versucht sein, etwas Feuerkraft für später zurückzuhalten, falls sich die Situation verschlechtert", sagte Gharbi.

Nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Devisenstratege Robin Winkler steht die SNB auch nicht unter Druck, bei ihren vierteljährlichen Lagebeurteilungen unbedingt Akzente zu setzen. "Die SNB hat zuletzt nicht nur bei regulären Treffen die Zinsen geändert. Insofern ist die Option einer Zinssenkung für die SNB jederzeit verfügbar", sagte er. Daher könne das dreiköpfige SNB-Direktorium um Präsident Thomas Jordan abwarten, wie sich der Wechselkurs des Franken entwickle.

Unsicherheit steigt


26 der von Reuters befragten 37 Analysten gehen von einem unveränderten Leitzins aus, elf dagegen erwarten eine Senkung. Vor früheren SNB-Zinssitzungen waren die Experten unisono davon ausgegangen, dass die SNB nicht an ihrem Zins rüttelt. Die Unsicherheit zeigt sich auch in den Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer. Diese rechnen aktuell zu gut 70 Prozent mit unveränderten Zinsen, knapp 30 Prozent erwarten eine Senkung. Es wäre der erste Zinsschritt der SNB seit über vier Jahren. Anfang 2015 hatte sie völlig unerwartet die Euro-Kursuntergrenze von 1,20 Franken aufgehoben und die Zinsen gesenkt. Seither zählt der Leitzins zu den tiefsten weltweit.

Der Hintergrund ist folgender: Der Schweizer Franken gilt unter Investoren als sicherer Hafen und gewinnt in turbulenten Zeiten stets an Wert. Die SNB ist jedoch an einem möglichst schwachen Franken interessiert, um damit die exportabhängige Wirtschaft zu stützen. Um Anleger abzuschrecken und eine Geldflut zu vermeiden, setzt sie auf Negativzinsen und interveniert bei Bedarf am Devisenmarkt. Sie druckt Franken und kauft damit Fremdwährungen wie Euro oder Dollar. Von diesen Interventionen dürfte die SNB auch über den Sommer Gebrauch gemacht haben, um der Aufwertung des Franken wegen des Handelskonflikts zwischen den USA und China und des nahenden Brexit entgegenzuwirken. Das zumindest legen wöchentlich von der SNB veröffentlichte Daten nahe.

Zuletzt hat der Franken wieder leicht an Wert verloren. Am Dienstag kostete ein Euro 1,0960 Franken. Damit notierte die Schweizer Währung aber immer noch fester als bei der vergangenen Zinssitzung im Juni, als die SNB ihn als "hoch bewertet" einstufte.

Die von Reuters befragten Experten erwarten darüber hinaus, dass die SNB ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum der Schweiz im laufenden Jahr auf ein Prozent zurücknimmt - von zuletzt 1,5 Prozent. Am Dienstag hatte bereits die Schweizer Regierung ihre Konjunkturprognose gestutzt. Sie geht nur noch von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 Prozent aus.