Nach Informationen mehrerer mit den Überlegungen vertrauter Personen wird daneben der Einsatz komplexer Werkzeuge diskutiert, die den stockenden Kreditfluss an mittelständische Firmen vor allem in den Euro-Krisenländern beleben sollen. Denkbar sei darüber hinaus eine zielgerichtete Liquiditätsspritze für die Banken, die sicherstelle, dass das frische Geld als Kredite an die Wirtschaft fließe. Es dürfe nicht bei den Geldhäusern bleiben oder zum Kauf von Staatsanleihen ihrer Heimatländer verwendet werden. Dabei ist nach Ansicht eines Notenbankers eine längere Laufzeit vorstellbar als bei früheren Maßnahmen, mit denen die EZB die Finanzmärkte auf dem Höhepunkt der Krise flüssig gehalten hatte. "Drei Jahre sind das Minimum, wenn wir für kleine Firmen wirklich etwas erreichen wollen." Banken, die das Geld nicht im Sinne der EZB verwenden, könnte eine Strafe angedroht werden
Als eine andere Option wird ein Kaufprogramm der EZB für Kreditverbriefungen, so genannte ABS-Papiere, erarbeitet. Mit solchen Papieren können Banken beispielsweise Kredite an Firmen oder auch Autofinanzierungen bündeln und weiterverkaufen. Das befreit ihre Bilanz von Risiken, allerdings liegt der Markt seit einigen Jahren am Boden. Diese Alternativoption für die EZB sei aber noch nicht ganz ausgereift, um sie zu beschließen, sagte ein Notenbanker.
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STICHTAG 5. JUNI
Die EZB berät das nächste Mal am 5. Juni über ihren weiteren geldpolitischen Kurs. Präsident Mario Draghi hatte vergangene Woche deutlich gemacht, dass die Notenbanker zu weiteren Schritten bereit seien, sollten die im Juni anstehenden Prognosen der EZB-Ökonomen diese rechtfertigen. Der EZB-Rat sei "unzufrieden" mit den Aussichten für die Konjunktur und "fühlt sich wohl damit, beim nächsten Mal zu handeln". Auch die Bundesbank hatte sich zuletzt nicht mehr kategorisch gegen eine Zinssenkung gesperrt. Sorgen bereitet den Notenbankern vor allem der in den vergangenen Wochen auf fast 1,40 Dollar gestiegene Euro. Dieser hatte nach den Zinssignalen Draghis deutlich an Wert verloren und notierte zuletzt noch bei 1,37 Dollar.
Einer der Insider geht davon aus, dass neben dem Leitzins auch der Einlagesatz gekappt wird. Diesen bekommen Banken normalerweise immer dann gutgeschrieben, wenn sie überschüssiges Geld bei der Zentralbank parken. Er liegt seit November bei null Prozent. Senkt die EZB ihn unter null, würde sie den Banken de facto einen Strafzins aufbrummen, wenn diese Geld bei ihr anlegen. Das Kalkül der Notenbanker: Die Institute sollen wieder mehr Kredite vergeben, weil es sich nicht mehr lohnt, Geld bei der EZB zu halten. "Es wäre das erste Mal, dass eine bedeutende Zentralbank den Einlagezins negativ werden ließe. Das würde den Wechselkurs des Euro sicher bewegen", sagte ein Informant.
Auf Seite 3: EURO SOLL BILLIGER WERDEN
EURO SOLL BILLIGER WERDEN
Der Leitzins könnte nach Darstellung eines der Insider beispielsweise von derzeit 0,25 Prozent auf 0,15 oder 0,1 Prozent sinken. Damit würde die EZB den Euro tendenziell für Anleger unattraktiver machen, weil sich Investments in der Euro-Zone dann niedriger verzinsen. Die vor allem durch Kapitalzuflüsse ausgelöste Verteuerung der Gemeinschaftswährung kommt den Zentralbankern ungelegen, weil sich so Importe verbilligen und das Preisniveau in der Euro-Zone weiter sinkt. Die Teuerung liegt mit 0,7 Prozent für den Geschmack der EZB immer noch nahe an einer gefährlichen Abwärtsspirale von Preisen, Löhnen und Investitionen.
Die Maßnahmen der EZB würden nach Ansicht von Experten bei weitem nicht so starke Wirkung entfalten wie etwa massive Käufe von Staatsanleihen oder Papieren privater Schuldner. Mit einer solchen im Fachjargon "Quantitative Easing" genannten Lockerung der Geldpolitik hatten in den vergangenen Jahren die US-Notenbank Fed und die britische Zentralbank auf die Krise in ihren Ländern reagiert. Rechtliche und praktische Probleme und der Widerstand der Bundesbank gegen ein solches umfassendes Programm verhinderten bislang den Einsatz dieser Waffe der Geldpolitik in den 18 Euro-Ländern.
Dem Kauf von Staatsanleihen nach Vorbild der Fed erteilte EZB-Chefökonom Praet in der "Zeit" vorläufig eine Absage. "Ich denke, dazu würde es erst kommen, wenn sich die Konjunktur und die Inflation in der Euro-Zone deutlich schlechter entwickeln als von uns erwartet." Einer der Reuters-Informaten wollte den Einsatz von QE im späteren Jahresverlauf nicht ausschließen, sollten die jetzt geplanten Maßnahmen nicht ausreichen. "Noch ist das kein QE. Das ist für jetzt. Was den Herbst anbelangt, muss man sehen. Man könnte über weitere Maßnahmen nachdenken. Aber erst dann, wenn diese gut vorbereitet sind."