Notizzettel zur Ausgabe 09/2017: Überschuss gehört Bürgern
· Börse Online Redaktionvon Herausgeber Frank-B. Werner
1248 Follower hat der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans bei Twitter. Wahrscheinlich hat die geringe Zahl dazu beigetragen, dass er bislang einem Shitstorm - wie eine Empörungswelle neudeutsch genannt wird - entgangen ist. Zum Sachverhalt: Am vergangenen Freitag machte die "Bild"-Zeitung mit der Schlagzeile "23,7 Mrd. Euro, Der Staat schwimmt in unserem Geld - Jetzt wollen WIR es zurückhaben" auf. Die "Bild"-Redakteure verknüpften also die Berichterstattung über den höchsten Überschuss der öffentlichen Kassen seit der Wiedervereinigung mit der Forderung, die im Zuge der kalten Progression ohnehin von Jahr zu Jahr steigende Steuerbelastung beziehungsweise die Sozialbeiträge zu senken. Ein tüchtiger Finanzminister sollte diesen Ball aufnehmen und Entlastungsvorschläge unterbreiten. Anders Walter-Borjans. Der veröffentlichte (bei Twitter) ein Foto der Seite 1 der "Bild" und schrieb dazu: "So zersetzt man ein Gemeinwesen - um es anschließend in ebenso großen Lettern zu bedauern." Das ist eine Unverschämtheit - gegenüber den Kollegen von der "Bild" genauso wie gegenüber dem Bürger.
Da hebt die SPD einen in Deutschland relativ unbekannten Kandidaten auf den Schild, und dann überholt dieser die Kanzlerin mit einigen unkonkreten Bemerkungen zum angeblich ungerechten Zustand der deutschen Gesellschaft in den Umfragen. Merkel verweist nun auf den Erfolg der von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder initiierten und von ihr fortgesetzten Agenda 2010 und die komfortable wirtschaftliche Lage des Landes im internationalen Vergleich. Doch das wollen die Leute offenbar nicht hören. Zwar hat sie damit recht, andererseits adressiert Schulz - ohne dass dies etwas mit zunehmender Ungerechtigkeit zu tun hätte - ein berechtigtes Unwohlsein. Denn bereinigt um die Preissteigerungsrate verdienen die Menschen heute im Durchschnitt weniger als vor 20 Jahren. Hier müsste Merkels Wahlkampf ansetzen. Verbände sie die Segnungen der Agenda 2010 mit weniger Steuern und Abgaben, hätten die Wähler wieder eine Aussicht auf persönliche Verbesserung.