Eine alte Börsenweisheit besagt, dass politische Börsen kurze Beine haben. So ist wohl auch die Erholung am Dienstag zu verstehen, nachdem das Säbelrasseln auf der Krim die Börsen am Montag weltweit in den Keller geschickt hatte. Verdarben zunächst Befürchtungen vor einer Rückkehr des Kalten Krieges die gute Börsenstimmung der vergangenen Tage, so entspannten sich die Akteure an den Märkten, als sie von Wladimir Putins Anordnung hörten, dass die russischen Truppen, die angeblich im Grenzgebiet der Ukraine Manöver durchführten, wieder in die Kasernen zurückkehren sollen. Nun, weder der russische noch der amerikanische Präsident noch die EU-Spitzen, geschweige denn die ukrainischen Verantwortlichen haben Interesse an einer Eskalation. Zu viel steht allseits auf dem Spiel. Was uns die Krim-Krise lehrt, ist der Verlust der Kontrollillusion. Auch in Zeiten, in denen wir uns via elektronische Medien so wohlinformiert wie nie zuvor fühlen, sind wir vor Überraschungen nicht gefeit. Es sind Menschen, die mit einsamen Entscheidungen Geschichte machen - Small Data schlägt Big Data.
Manche Aufregung in diesen Tagen ist im Übrigen sehr künstlich. Dass der russische Aktienindex RTS um zehn Prozent in die Tiefe rauschte, lag im Wesentlichen am Einbruch des Energieriesen Gazprom und der Tatsache, dass der Index in Dollar notiert. Drei Prozentpunkte des Einbruchs vom Montag gingen allein auf das Konto des butterweichen Rubelkurses. Zum Rest leistete die Schwäche des Indexschwergewichts Gazprom den Hauptbeitrag. Um 17 Prozent sackte der Kurs nach unten, gut acht Milliarden Euro weniger war Gazprom über Nacht wert. Mit anderen Worten: Die Marktkapitalisierung der Lufthansa wurde ausradiert.
Neben den politischen Wirren in der Ukraine steht für die Anleger diese Woche ein zweites Ereignis im Mittelpunkt des Interesses: die März-Sitzung der Europäischen Zentralbank. Lange stand das Thema Deflation nicht mehr auf der Tagesordnung, im Vordergrund standen die Schuldenkrise in Euroland und der Budgetstreit in den USA. Mit einer Beruhigung auf dieser Seite wird die Frage, wohin sich die Konsumentenpreise bewegen, jedoch wieder an Bedeutung gewinnen. Mario Draghis Einschätzung dieser Frage und die daraus abgeleitete Zinspolitik wird die Märkte in den nächsten Wochen und Monaten prägen.
Knapp 2,8 Milliarden Euro Verlust weist RWE für 2013 aus (Seite 28). Die missglückte Energiewende hat nun auch die Bilanzen der Unternehmen erreicht.