Der Offenbarungseid vom Donnerstag machte aus der angeschlagenen Wirecard-Aktie einen Totalschaden. Der Kurs stürzte innerhalb von zwei Tagen in der Spitze um rund 80 Prozent ab. Das Unternehmen, das 1,9 Milliarden Euro vermisst, die angeblich auf einem Treuhandkonto in Asien lagen, ist über Nacht zum Insolvenz- und Übernahmekandidaten geworden. Dabei wäre eine Übernahme des Unternehmens, das kurzzeitig schon einmal mehr wert war als die Deutsche Bank, wahrscheinlich der beste Weg, um die Geschäfte fortzuführen. Denn nicht nur "Mr. Wirecard" Markus Braun, das inzwischen zurückgetretene Mastermind hinter dem Aufstieg des Zahlungsabwicklers - und vielleicht sogar selbst Betrugsopfer -, hat das Vertrauen verloren. Niemand gibt derzeit auf die Aussagen von Vorstand und Aufsichtsrat einen Pfifferling. Ein Desaster sind die Vorfälle auch für die Wirtschaftsprüfer und die Bankenaufsicht. Offensichtlich bringen komplizierte Regeln nicht unbedingt besseren Durchblick. Einen kleinen Triumph können die Kollegen der "Financial Times" verbuchen. Sie wiesen immer wieder darauf hin, dass an den Wirecard-Zahlen in Asien etwas nicht stimmen könne. Da sie konkrete Belege schuldig blieben, fanden sie aber nie nachhaltig Gehör, sondern ihre Artikel dienten als Futter für kurzfristige Short-Attacken. Nun haben sie doch recht behalten.
Seit dem Sturz der Statue von Edward Colston, dessen wohltätige Stiftungen aus dem 17. Jahrhundert zum Teil bis heute in Bristol Gutes tun, ist wieder die These im Umlauf, Großbritannien verdanke die Industrialisierung und damit seinen Wohlstand den Gewinnen aus dem Sklavenhandel. So schrecklich das Wirken der Royal African Society war, so falsch ist diese These. Denn wenn die Gewinne aus dem Sklavenhandel und der Plantagenwirtschaft Voraussetzung für die Industrialisierung gewesen wären, dann hätten die größten Fabriken in Portugal und an der Westküste Afrikas stehen müssen, wo der Anteil des Sklavenhandels an der Gesamtwirtschaft ein Vielfaches betrug.