Siemens-Chef Joe Kaeser lässt kaum eine Gelegenheit aus, sich als scharfzüngiger Kritiker der AfD zu profilieren. "Lieber Kopftuch-Mädel als Bund Deutscher Mädel" ist wahrscheinlich die bekannteste seiner Sentenzen. Manchmal hat man den Verdacht, dass er damit wohlfeil überdecken will, dass Siemens außerhalb des Landes auf einen Wertekompass verzichtet. Die russische Annexion der Krim bezeichnete Kaeser zum Beispiel als "kurzfristige Turbulenz", und die Teilnahme an der in dieser Woche stattfindenden Wirtschaftskonferenz in Riad sagte er erst ab, als er dem öffentlichen Druck nicht mehr standhalten konnte. Das Problem ist für Manager wie Politiker dasselbe: Man kann nicht mit Unrechtsstaaten Geschäfte machen und gleichzeitig eine weiße Weste behalten. Respekt vor Menschenrechten kostet etwas. Wenn man den Preis nicht bezahlen will, sollte man in der Öffentlichkeit die Klappe halten.
Endlich hat es die Bundesregierung gemerkt. Die Grenzwerte für Stickoxide im Freien sind offensichtlich willkürlich und ohne jede Gefährdungslage festgesetzt worden und die bei ihrem Verfehlen drohende Konsequenz - Fahrverbote in vielen Städten - ist nicht verhältnismäßig. In der Tat: 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sind an den an Straßen aufgestellten Messstationen zulässig, hält man sich in Werkhallen auf, sind es 950 Mikrogramm. Während man in der Regel nur kurzzeitig am Rand vielbefahrener Straßen steht, hält man sich in der Werkhalle meist sieben, acht Stunden am Tag auf. Irgendetwas stimmt da nicht. Der Vorstoß der Kanzlerin, in der Woche vor der Landtagswahl in Hessen ihrem Parteifreund Volker Bouffier mit der Ankündigung einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beizuspringen, mit der Fahrverbote in Frankfurt noch verhindert werden können, ist allerdings zu durchsichtig. Per Gesetz am Begriff "Verhältnismäßigkeit" herumzudoktern, reicht eben nicht. Merkel will Stimmen retten, nicht die Besitzer eines Dieselwagens. Das ist unehrlich. Ehrlich und konsequent wäre es, das ganze
Grenzwert-Regime (in Brüssel) neu zu formulieren.