von Herausgeber Frank-B. Werner
Am heutigen Donnerstag trifft sich in Wien die Organisation Erdöl exportierender Länder. Es wird aus Sicht des einst übermächtigen Kartells eine Art Krisensitzung. Der Preis für das schwarze Gold ist seit Juni um rund 30 Prozent auf 80 Dollar je 159-Liter-Fass abgestürzt. Das ist einerseits dem Fracking-Boom in den USA und der Aufbereitung von Ölsanden in Kanada geschuldet, andererseits aber auch der Überproduktion. Um in Zeiten sinkender Preise die gleichen Einnahmen für ihre Staatshaushalte zu erzielen, haben viele Produzentenländer die Förderung erhöht. Der
Angebotsüberschuss drückte zusätzlich auf den Preis, was wiederum eine nochmalige Angebotsausweitung zur Folge hatte. Man darf gespannt sein, wie das weitergeht. Für Erdöl importierende Länder wie Deutschland, Japan oder China sind niedrige Energiekosten das beste Konjunkturprogramm, das man sich vorstellen kann. Je länger die Mitglieder der OPEC sich nicht einigen können, umso besser. Fragil ist dann nur die Exportseite; denn irgendwann fallen die Erdölexporteure als Käufer unserer Waren aus.
Am 30. November 1989, einige Wochen nach dem Mauerfall, wurde Alfred Herrhausen ermordet. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank galt in vielerlei Hinsicht als Ausnahmegestalt - und war nicht zuletzt deshalb in deutschen wie internationalen Finanzkreisen immer auch umstritten. In einem Vortrag, den an der Universität Göttingen auch der Student Frank-B. Werner hörte, stellte Herrhausen Anfang der 80er-Jahre seine Überlegungen zu verantwortlichem Handeln im Rahmen des kapitalistischen Systems vor. Vor dem Hörsaal wurde krakeelt, den Störern entging dabei Unerhörtes: Banken und Banker müssten mit ihrer Macht vorsichtig umgehen, postulierte Herrhausen. Nicht alles, was erlaubt sei, solle man an den Märkten auch tun. Und schließlich begründete er den Vorschlag eines Schuldenerlasses für zahlungsunfähige Entwicklungsländer - nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch moralisch. Viele von Herrhausens Überlegungen sind heute so aktuell wie damals. Umso trauriger, dass gerade dieser Mann dem Wahn der Terroristen zum Opfer gefallen ist.