Die Unterbrechung sei deshalb "nichtig". Parlamentspräsident John Bercow kündigte an, dass die Kammer am Mittwoch die Arbeit wiederaufnehmen werde. Johnson sagte in New York, das Urteil sei falsch, müsse aber respektiert werden. Es gebe viele Versuche, den Brexit zu stoppen. Johnson nimmt derzeit an der UN-Generalversammlung teil. Einem britischen Regierungs-Insider zufolge wird er sein Amt nicht räumen.

Das Urteil, das von Gerichtspräsidentin Brenda Hale verlesen wurde, fiel unter den elf Richtern ohne Gegenstimme. Das Britische Pfund stieg nach dem Bekanntwerden auf ein Tageshoch von 1,2479 Dollar. Mit dem Richterspruch fällt einer der zentralen Pfeiler von Johnsons Strategie, das Land unbedingt am 31. Oktober aus der EU zu führen - notfalls auch ohne Einigung mit Brüssel - in sich zusammen. Er schickte das Unterhaus in der entscheidenden Phase vor dem Brexit-Datum und dem EU-Gipfel Mitte Oktober für fünf statt der üblichen zwei Wochen in eine Zwangspause.

KEIN VERHANDLUNGSERFOLG MIT EU


Der Fall wurde vorige Woche von den obersten Richtern drei Tage lange verhandelt. Die Anwälte der Kläger argumentierten, die Aussetzung des Unterhauses sei erfolgt, um die Abgeordneten davon abzuhalten, Johnsons Brexit-Kurs zu durchkreuzen. Die Regierungsanwälte erwiderten, es sei allein Sache von Johnson und nicht von Gerichten, über die Dauer der Parlamentspause zu entscheiden. Groß sind Johnsons Freiräume sowieso nicht mehr: Kurz vor Beginn der Zwangspause hatte das Unterhaus ein Gesetz verabschiedet, das einen ungeregelten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU verbietet.

Gleichzeitig kommen die Verhandlungen von London mit der EU über den Ausstiegsvertrag nicht voran. Er sehe keinen Grund für Optimismus, dass die EU und Britannien eine Lösung für die umstrittene Ausgestaltung der Grenzkontrollen zwischen Irland und dem britischen Nordirland fänden, sagte EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier in Berlin. Eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel sagte, man wolle die britische Innenpolitik nicht kommentieren.

FREUDE UND RÜCKTRITTSFORDERUNGEN


Jubel gab es nach der Gerichtsentscheidung auf der Klägerbank. Entscheidend am Urteil sei, dass auch der Premierminister nicht über dem Gesetz stehe, sagte Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller. Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon sagte, Johnson sei ungeeignet für das Amt, und wenn er nicht zurücktrete, sollte er entlassen werden. Sie glaube im übrigen auch nicht daran, dass Großbritannien die EU am 31. Oktober verlassen werde. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte den Premierminister auf, sein Amt zu überdenken, und sprach sich für Neuwahlen aus. Die Chefin der oppositionellen Liberaldemokraten, Jo Swinson, sagte, Johnson sei unfähig zu regieren. Er kehre nach Westminster zurück, um den Kampf gegen den Brexit aufzunehmen.

Die Schlappe für Johnson ist überraschend, da Großbritannien über keine geschriebene Verfassung verfügt und vieles Auslegungssache ist. Dementsprechend hat die Regierung üblicherweise sehr viel mehr Spielraum als in anderen parlamentarischen Systemen. Die Regierung habe aber keine schlüssige Rechtfertigung für solch eine extreme Maßnahme vorgelegt, erklärte das Gericht.

rtr