€uro am Sonntag: In der Corona-Diskussion wird abgewogen zwischen Rettung der Wirtschaft und Rettung von Menschenleben. Wie hoch ist Ihrer Analyse zufolge der monetäre Preis eines Menschenlebens?
Afschin Gandjour: Der "Preis" eines Lebensjahres lässt sich ableiten aus Preisverhandlungen zwischen Arzneimittelherstellern und den Krankenkassen. Ich habe mich in meiner Analyse auf Krebsmedikamente konzentriert, weil Krebs zu einer vergleichbaren Zahl von Toten und schweren Krankheitsfällen führt wie Corona. Krankenkassen sind demnach bereit, rund 100 000 Euro für ein zusätzliches Lebensjahr eines Krebspatienten zu bezahlen. Multipliziert mit der Restlebenszeit, hätte man den "Preis" eines Menschenlebens.
Welche volkswirtschaftlichen Kosten hätte Ihrer Studie zufolge ein erfolgreicher Shutdown in Deutschland, also ein Herunterfahren der Wirtschaft, und wie viel Leben könnte man damit retten?
Für eine Abflachung der Ansteckungskurve liegt der Anteil des Bruttoinlands-produkts (BIP) zwischen sechs und 19 Prozent. In meiner Analyse habe ich mich auf die gewonnenen Lebensjahre bezogen statt auf die geretteten Leben, so kann der Nutzen genauer beziffert werden. Der Gewinn an Lebenszeit liegt dann zwischen 1,4 und 4,5 Millionen Lebensjahren.
Sie selbst rechnen für einen Shutdown mit einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 13 Prozent des BIP. Was würde das mittelfristig an Wirtschaftsleistung kosten?
Absolut gesehen wären dies etwa 450 Milliarden Euro. Ein solcher Rückgang bedeutet zunächst einmal eine schwere Rezession. Die maximale Zahlungsbereitschaft setzt aber auch eine Obergrenze für den Shutdown, der auf wenige Monate begrenzt sein sollte. Nach Aufhebung des Shutdowns würde es noch ein paar
Monate dauern, bis wieder die normale Wirtschaftsleistung erreicht wäre.