Auch für die Fed-Beobachter der Commerzbank stehen die Chancen Powells gut, für eine weitere Amtszeit nominiert zu werden. Er habe in Washington einen guten Ruf, den er sich mit intensiven Bemühungen um die Abgeordneten im Kongress erarbeitet habe. Powell gilt als im US-Parlament außerordentlich gut vernetzt, was ein Blick in seinen Terminkalender belegt: So hat er sich etwa in den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit als Fed-Chef mit allen Mitgliedern des Bankenausschusses des Senats persönlich getroffen. Dabei achtete er peinlich genau darauf, die Treffen zu gleichen Teilen unter Demokraten und Republikanern aufzuteilen. Allein acht Stunden verbrachte er im persönlichen Gespräch mit dem derzeitigen demokratischen Ausschuss-Vorsitzenden Sherrod Brown aus Ohio, der auch der Anhörung Powells am Donnerstag vorsaß.
Dieser gute Draht zu den Parlamentariern sei ein nicht zu unterschätzender Vorteil bei dem im Senat nötigen Bestätigungsverfahren, so die Commerzbank-Experten Bernd Weidensteiner und Christoph Balz. In der Parlamentskammer verfügen die Demokraten nur über 50 Stimmen und wären somit bei einer kontroversen Nominierung auf die Zustimmung aller ihrer Senatoren und auf die bei Stimmengleichheit ausschlaggebende Stimme von US-Vizepräsidentin Kamala Harris angewiesen.
Der aktivistischere Teil der Demokraten gestehe die Erfolge Powells durchaus zu, würde aber einen "diverseren" Kandidaten und einen Angehörigen der eigenen Partei bevorzugen, so die Commerzbank-Experten: "Powell als älterer weißer Mann mit langjährigen Erfahrungen an der Wall Street passt nicht in dieses Raster." Chefökonom James Knightley von der Bank ING erwartet ein knappes Rennen um den Chefposten der Fed. Es würde ihn nicht überraschen, wenn Biden auch diese Personalie dazu nutzen würde, Diversität in Top-Positionen zu stärken. In der Fed-Führungsebene ist in dieser Beziehung noch Luft nach oben: So ist der Chef des Fed-Ablegers von Atlanta, Raphael Bostic, bislang der einzige Afroamerikaner in diesem Kreis.
rtr