"Die Stimmung an den Rohölmärkten ist so schlecht wie seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr", sagte NordLB-Analyst Frederik Kunze am Mittwoch. Ein Überangebot bei zugleich schwächelnder Nachfrage setzt den Preisen seit Juni zu, die sich seither mehr als halbiert haben. Öl kostet damit so wenig wie zuletzt im Frühjahr 2009, als der Welthandel nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers kollabiert war. Experten fürchten einen weiteren Preisverfall. Die Marke von 40 US-Dollar je Barrel werde immer wahrscheinlicher, sagte Kunze.
Viele Anleger sehen in den Turbulenzen an den Ölmärkten ein Zeichen für die angeschlagene Weltwirtschaft. Entsprechend nach unten ging es zuletzt auch an den Aktienmärkten. Der Dax kommt seit Jahresanfang auf ein Minus von 3,4 Prozent - am Mittwoch hielt er sich mit 9575 Zählern allerdings rund ein Prozent im Plus. Auch der EuroStoxx50 notierte ein Prozent höher, seit Jahresanfang hat er allerdings sogar über vier Prozent eingebüßt. Anders als im Dax sind in dem Index auch einige große Ölkonzerne wie die französische Total gelistet. Die im europäischen Branchenindex gelisteten Firmen haben seit dem Sommer zusammengerechnet mehr als 200 Milliarden Dollar an Börsenwert eingebüßt. Das entspricht der jährlichen Wirtschaftsleistung Portugals.
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DEFLATIONSGESPENST IN DER EURO-ZONE
Händlern zufolge setzen immer mehr Investoren auch angesichts der fallenden Preise im Währungsraum auf baldige weitere Geldspritzen der EZB. "Der Druck auf die EZB, dagegen etwas zu unternehmen, wird immer größer." Wenn die Währungshüter diesen Trend nicht aufhalten können, droht der Euro-Zone eine Deflation - einer ruinöse Spirale aus sinkenden Preisen und rückläufigen Investitionen. Vor allem wegen sinkender Kosten für Energie waren die Preise in der Euro-Zone im Dezember erstmals seit mehr als fünf Jahren gefallen.
Die Zentralbanker entscheiden am 22. Januar über ihren Kurs. Die Spekulationen auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik drückten den Euro mit 1,1819 Dollar auf den tiefsten Stand seit neun Jahren. An den Märkten wird mit weiteren Kursverlusten gerechnet. Während in der Euro-Zone über weitere Geldspritzen nachgedacht wird, steht in den USA die erste Zinserhöhung seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 im Raum. Für die Wall Street signalisierten die US-Futures am Mittwoch zur Handelseröffnung eine leichter Erholung.
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ANHALTENDER DRUCK AUF ÖLPREISE ERWARTET
Bis zum Mittag hatte sich die Talfahrt des Brent-Preises etwas verlangsamt. Er lag bei rund 51 Dollar je Barrel (159 Liter) auf dem Vorabendschluss. Zeitweise war er am Morgen um 2,8 Prozent aber auf 49,66 Dollar abgestürzt. US-Leichtöl der Sorte WTI notierte bei rund 48 Dollar. Hauptgrund für den Ölpreisverfall ist das Überangebot durch den Schieferöl-Boom ("Fracking") in den USA, sowie die höhere russische Förderung und das Festhalten der Opec-Länder an hohen Förderquoten. "Saudi-Arabien signalisiert weiterhin keine Bereitschaft, die Produktion zu kürzen und auf Marktanteile zu verzichten", sagte Commerzbank-Rohstoffexperte Carsten Frisch. Kurzfristig gebe es deshalb wenig Gründe für eine Erholung des Marktes. Vereinzelt werden schon Preise von 20 Dollar je Fass für möglich gehalten.
Derweil macht der fallende Ölpreis inzwischen Russland mehr zu schaffen als die Sanktionen des Westens, wie der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, Reuters in einem Interview sagte. Die Hauptverantwortung für die Krise des Landes trage "die Ölpreisentwicklung, die einseitige Ausrichtung der russischen Exportwirtschaft auf Ressourcen und die Defizite bei der Wettbewerbsfähigkeit der übrigen russischen Wirtschaft".
Für die Euro-Zone hingegen hoffen Experten hoffen angesichts der sinkenden Ölnotierungen auf einen deutlichen Schub. Sollte der Preis auf dem aktuellen Niveau bleiben, würden Unternehmen und Haushalte in diesem Jahr um 20 Milliarden Euro entlastet, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Der niedrigere Euro-Kurs könnte zudem der Exportindustrie in der Euro-Zone auf die Beine helfen. An der Börse profitierten die Aktien der Fluggesellschaften von der Aussicht auf niedrige Kerosin-Preise: Lufthansa, Air France, der British-Airways-Mutter IAG und des Billig-Anbieters Ryanair konnten in den vergangenen drei Monaten bereits zwischen 15 und 35 Prozent zulegen. Am Mittwoch rückten sie um ein bis drei Prozent vor.
Reuters