Der 35-jährige konservative Politiker begründete seinen überraschenden Rücktritt einerseits mit der Geburt seines Sohnes und andererseits auch damit, dass seine Leidenschaft für Politik nach den Vorwürfen gegen ihn weniger geworden sei. Sein Nachfolger als ÖVP-Chef soll Medienberichten zufolge der derzeitige Innenminister Karl Nehammer werden.
"Für mich beginnt ein neues Kapitel in meinem Leben. Ich freue mich auf Zeit mit meinem Kind und meiner Familie, bevor ich mich im neuen Jahr neuen beruflichen Aufgaben widmen werde", sagte Kurz. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Er empfinde aber keine Wehmut. Beigetragen hätten auch die Entwicklungen der letzten Monate, räumte er ein. Er sei mit der Abwehr von Vorwürfen und Anschuldigungen beschäftigt gewesen. "Ich hatte ein bisschen das Gefühl, gejagt zu werden", sagte Kurz. Die Korruptionsvorwürfe gegen ihn wies er erneut zurück. Allerdings räumte er auch Fehlentscheidungen ein, ohne näher darauf einzugehen. "Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher."
KORRUPTIONSVORWÜRFE BEENDETEN STEILE POLITISCHE KARRIERE
Kurz war im Oktober wenige Tage nach Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen ihn als Kanzler zurückgetreten. Auslöser war eine Razzia im Kanzleramt, der ÖVP-Parteizentrale sowie im Finanzministerium. Eingeleitet worden war diese von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die gegen Kurz wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Auch enge Mitarbeiter von Kurz sind im Visier der Justiz. Ob Anklage erhoben wird, ist bislang noch offen. Die Vorwürfe reichen bis in das Jahr 2016 zurück, als Kurz noch Außenminister war. Laut Staatsanwaltschaft sollen mit Geld des Finanzministeriums Umfragen bezahlt worden sein, die Kurz in einem günstigen Licht erscheinen ließen. Die Vorwürfe bestreitet der konservative Politiker vehement. Neben der Opposition hatte vor allem der Koalitionspartner, die Grünen, Druck ausgeübt und Kurz für nicht mehr amtsfähig erklärt. Um das Bündnis zu retten, trat Kurz schließlich zurück. Den Posten des Kanzlers übernahm der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg. Kurz wurde Parteichef und Klubobmann der ÖVP. Der 52-jährige Jurist und Diplomat Schallenberg kündigte eine enge Zusammenarbeit mit Kurz an, was ihm den Vorwurf des Schattenkanzlers einbrachte.
POLITISCHES AUSNAHMETALENT
Der 35-jährige Kurz galt lange Zeit als politisches Ausnahmetalent: Schon in jungen Jahren übte er politische Ämter innerhalb der Volkspartei aus. Als Außenminister sorgte er mit seinem harten Migrationskurs auch im Ausland für Aufsehen. Erstmals Kanzler wurde er nach der Neuwahl im Oktober 2017. Unter seiner Führung wurde die ÖVP stimmenstärkste Partei und schloss eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ. Diese Zusammenarbeit brachte ihm internationale Kritik ein. Das Bündnis zerbrach schließlich, als ein belastendes Video des Ex-FPÖ-Chefs und früheren Vizekanzlers Heinz-Christian Strache auftauchte. Kurz wurde per Misstrauensvotum vom Parlament gestürzt. Zu der sogenannten Ibiza-Affäre gab es in weiterer Folge einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Neben den Korruptionsvorwürfen wird gegen Kurz auch wegen mutmaßlicher Falschaussage in diesem Ausschuss ermittelt. Ob Anklage erhoben wird, ist hier ebenfalls noch offen.
Bei der Neuwahl 2019 ging die ÖVP mit Kurz an der Spitze erneut als haushoher Sieger hervor. Die Konservativen schlossen auf Bundesebene erstmals ein Bündnis mit den Grünen, und Kurz wurde erneut Kanzler.
rtr