von Martin Blümel

Es ist tatsächlich so etwas wie Ruhe eingekehrt am Aktienmarkt. Man kennt das ja gar nicht mehr. Seit Wochen hat offensichtlich allein das Thema Griechenland die Kurse bewegt. Meist nach unten. Derzeit spielt das aber keine Rolle mehr. Und wir lernen daraus mal wieder: So groß das Geschrei um ein Problem auch sein mag, irgendwann wird an der Börse ein Haken drangemacht. Meist schneller, als man zunächst denkt. Was nicht heißen soll, dass uns das Problem der Schulden Griechenlands nie mehr beschäftigen wird. Nein, es wird sicherlich irgendwann wiederkehren, vielleicht heftiger als je zuvor. Wir haben ja schon darüber geschrieben in den vergangenen Wochen.

Wo stehen wir aber aktuell? Griechenland ist erst einmal "gerettet". Chinas Börse und Konjunktur haben sich stabilisiert - wenn auch letztlich nur mit vehementen staatlichen Eingriffen. Und in den USA wird es in diesem Jahr wohl noch zu einem Anstieg der Leitzinsen kommen. Gleichzeitig sind die aktuellen Quartalszahlen der US-Unternehmen bisher recht gut ausgefallen. Google, Netflix, Intel, General Electric - alle gut, trotz des starken Dollar. Sogar die Banken überzeugen wieder: Sowohl JP Morgan als auch Bank of America und die Citigroup lieferten Zahlen, die besser ausfielen als erwartet.

Auf Seite 2: Reicht diese Gemengelage also für weiter steigende Kurse?





Reicht diese Gemengelage also für weiter steigende Kurse? Klar ist: Die Börse ist in diesem Jahr ganz sicher keine Einbahnstraße, auch wenn es in den ersten Monaten fast danach aussah. Zu einem Crash ist es indes aber auch nicht gekommen, selbst wenn die Nachrichten aus Wirtschaft und Politik bisweilen recht dramatisch waren. Letztlich ist es also weiterhin sinnvoll, in den Markt zu investieren. Mit gebotener Vorsicht! Rücksetzer nutzen, nicht alles auf eine Karte setzen, auch mal Gewinne mitnehmen, schlicht und einfach das Börsen-ABC beherzigen. Denn wie hat jemand mal so schön gesagt: "Die Börse kann länger irrational bleiben, als sich Investoren leisten können, misstrauisch zu sein."

Vielleicht hilft zur Bekräftigung auch ein Blick über den großen Teich - viel zu lange waren wir in den vergangenen Wochen euro-fokussiert. Von der Wall Street gibt es nämlich ein paar erstaunliche Fakten zu berichten: Fast die Hälfte der Anleger ist "neutral" gestimmt, das hat eine aktuelle Umfrage zutage gefördert. Das ist ein gutes Zeichen. Von einem Börsenhype kann angesichts dessen nun wirklich nicht die Rede sein, da wartet viel Geld darauf, angelegt zu werden. Die US-Fondsmanager etwa horten so viel Bargeld wie seit Ende 2008 nicht mehr. Wir erinnern uns: Die Kurse waren zu der Zeit auf ein extrem niedriges Niveau gerutscht und begannen langsam, aber sicher einen tragfähigen Boden auszubilden. Ab März 2009 ging es dann wieder bergauf. Daran denkt man gern zurück. Und nun? Wiederholt sich da demnächst Geschichte?

Die Erwartungen, gerade was die Umsätze und Gewinne der US-Unternehmen angeht, sind jedenfalls eher bescheiden, wenn nicht gar übervorsichtig. Vermutlich wird es also zu weiteren positiven Überraschungen kommen - wie schon bei Google, Netflix und eben auch den Banken. Das war und ist Treibstoff für den Aktienmarkt. Und weil sich das Thema Griechenland gerade eben von der Börsianer-Agenda verabschiedet hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch europäische Aktien "im Sog der positiven Vorgaben aus den USA" - wie das im Jargon heißt - ebenfalls weiter nach oben tendieren. Misstrauen hin oder her.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com