Nach den Plänen will der Konzern künftig mit seinen wichtigsten Anwendungen auf allen relevanten Plattformen präsent sein - egal, ob sie von Microsoft kommen oder von den beiden Erzrivalen von Apple oder Google. "Kunden erwarten von uns, dass sie Office 365 überall nutzen können", sagte Nadella gestern Abend auf seiner ersten Pressekonferenz als neuer Microsoft-Boss. "Dem wollen wir gerecht werden."
Mit den neuen Apps für Word, Excel und Powerpoint können sich iPad-Nutzer ihre Dokumente anzeigen lassen. Wer Dateien erstellen oder bezahlen will, braucht ein Office 365-Abo. Der Preis liegt je nach Umfang bei 99 Euro pro Jahr für die Office 365 Home inklusive fünf Lizenzen bzw. 69 Euro für die demnächst verfügbare Office 365 Personal-Einzellizenz.
Die Ankündigung gilt als Zeitenwende. Bis zuletzt hatte sich der langjähriger Microsoft-Chef Steve Ballmer dagegen gesperrt, Office auch auf anderen mobilen Endgeräten als der hauseigenen Windows-Plattform anzubieten. Auf diese Weise wollte Ballmer den Absatz des konzerneigenen Tablets Surface ankurbeln.
Ballmers Bulldozer-Strategie
Doch Ballmers Bulldozer-Strategie ging nicht auf - im Gegenteil. Surface erwies sich bislang als Millionengrab. Und statt Microsoft Office schauten sich immer mehr Tablet-Nutzer nach Alternativen um - und landeten unversehens beim kostenlosen Büropaket Google Docs oder bei Apple, das mit eigenen iPad-Produkten wie Pages oder Keynote abräumte.
Dazu kam der wachsende wirtschaftliche Druck: Während der Absatz mit PCs und Notebooks im laufenden Jahr bereits zum vierten Mal in Folge sinken dürfte, boomen die Tablet-Verkäufe. Alleine zwischen 2013 und 2015 rechnet der US-Marktforscher Gartner bei den Ultramobil-Rechnern mit einem Marktwachstum von knapp 80 Prozent auf rund 350 Millionen Einheiten. Der Absatz von traditionellen PCs und Notebooks dürfte hingegen im selben Zeitraum um elf Prozent schrumpfen.
Die stotternden PC-Verkäufe bedrohen nun allmählich auch die beiden Hauptumsatzträger von Microsoft: Windows und Office. Beide Bereiche stehen zusammen für rund 70 Prozent des Konzern-Umsatzes und für über 80 Prozent des Gewinns.
Nun zieht Sadella die Konsequenzen. Strategisch gibt es dazu kaum eine Alternative und lukrativ ist die Office-Expansion obendrein, glauben Analysten. Bis 2015 winken dem Konzern 1,2 Milliarden Dollar Extra-Umsatz aus dem iPad-Vorstoss, schätzt Keith Weiss von Morgan Stanley. Und die absehbare Android-Variante des Office-Pakets ist da noch nicht mal mit drin.
Apple ist der zweite große Gewinner
Doch neben Microsoft gibt es noch einen anderen großen Gewinner des Deals: Apple. Das Unternehmen kassiert grundsätzlich 30 Prozent des Umsatzes, der über den AppStore läuft. Das gilt auch für Office 365. Jahrelang hatte Microsoft beim Wettbewerber darauf gedrungen, Apples Umsatz-Anteil bei möglichen Verkäufen über den App-Store zu senken. Doch Apple-Chef Tim Cook blieb beinhart. Am Ende drehte Microsoft bei.
Jetzt klingeln die Kassen in Cupertino noch ein bisschen süsser. Denn selbst wenn nur jeder vierte iPad-Nutzer sein Office-Abo über einen so genannten In-App-Kauf bei Apple abwickeln sollte, könnte der Riese aus dem kalifornischen Cupertino 2015 rund 100 Millionen Dollar kassieren.
Extra-Umsatz ohne Extra-Kosten
Weil die Extra-Kosten für Apple gegen Null gehen, läuft das abzüglich der Steuern direkt ins Ergebnis. Kein Wunder, dass Cook gestern bestens gelaunt war: "Herzlich Willkommen auf dem iPad und im AppStore, Satya Nadella", säuselte Cook gestern Abend kurz nach Sadellas Ankündigung via Twitter. Extra-Umsatz ohne Extra-Kosten: So was würde sich wohl auch Nadella sehnlich wünschen.
Microsoft-Aktie: Einschätzung der Redaktion
Microsoft-Chef Satya Nadella hat mit seinem ersten öffentlichen Auftritt ein Zeichen gesetzt: Office und alle anderen Anwendungen sollen künftig auf alle relevanten Plattformen verfügbar sein, unabhängig vom Formfaktor und vom Betriebssystem. Damit vollzieht Microsoft die überfällige Kehrtwende.
Für Investoren ist das ein positives Signal. Spätestens seit Donnerstag ist klar: Im immer schärferen Wettbewerb gibt es auch in Redmond keine heiligen Kühe mehr. Wenn es Nadella gelingt, das bislang weit verbreitete Silodenken in der Zentrale aufzubrechen und die Sparten-Chefs noch stärker auf die Cloud einzuschwören, dürfte das der Aktie weiteren Schwung bringen. Kaufen.
Apple-Aktie: Einschätzung der Redaktion
Apple-Chef Tim Cook und sein legendärer Vorgänger Steve Jobs haben sich stets beharrlich geweigert, Zugeständnisse beim eigenen Umsatzanteil im AppStore zu machen. Auch für Microsoft gab’s keine Ausnahme. Mit ihrer starren Haltung haben sich die Kalifornier durchgesetzt. Seit gestern lässt sich auch Office 365 über den AppStore laden - und Apple kassiert kräftig mit.
Auch sonst surft der Konzern mit dem angebissenen Apfel im laufenden Jahr weiter auf einer Erfolgswelle. Zwar erweist sich das iPhone 5 C als Enttäuschung. Doch auf dem wichtigen chinesischen Markt kommt Apple mit dem Flaggschiff iPhone 5 S gut voran. Und die Produktpipeline ist voll. Im Herbst dürfte das neue iPhone 6 in die Läden kommen, offenbar mit deutlich größerem Display. Außerdem verdichten sich die Spekulationen, dass der Konzern mit einem komplett überarbeiteten MacBook Air an den Start geht. Dazu halten sich hartnäckig die Gerüchte um eine mögliche iWatch.
Die Apple-Aktie ist mit einem 2015er KGV 11,7 moderat bewertet. Bis zum Alltime-High bei 575 Dollar bzw. 424 Euro ist noch viel Luft. Stopp bei 340 Euro. Kaufen.