Die Liste der Konzerne, die ihre diesjährigen Hauptversammlungen(HV) Corona-bedingt verschieben, wird immer länger: BASF, Conti, Daimler, Merck, RWE und weitere wollen verständlicherweise nicht das Risiko derartiger Großveranstaltungen mit Tausenden von Teilnehmern eingehen. Das Problem: Um wirksame Beschlüsse beispielsweise zur Gewinnverwendung und zur Dividende herbeizuführen, sind laut Aktiengesetz Präsenzveranstaltungen nötig - reine Onlinetreffen sieht das Gesetz nicht vor. Unternehmen scheuen zudem auch die Rechtsrisiken, die ein solches Onlineprozedere mit sich bringt. Ohne Beschluss gibt es aber zum Beispiel vorerst keine Dividendenauszahlung.

Dabei ist die Diskussion um die virtuelle Hauptversammlung nicht neu: Schon vor über zehn Jahren gab es in Deutschland Anläufe, Aktionärstreffen ins Netz zu verlegen. Viele Gesellschaften haben in ihren Satzungen bereits die OnlineStimm abgabe ermöglicht, darunter SAP, Telekom oder Daimler. Doch nicht zuletzt wegen der Rechtsrisiken und möglicher Aktionärsklagen wurde das Thema vor einigen Jahren wieder beiseitegelegt.

Doch mit der Corona-Krise steht die Online-HV unvermittelt wieder auf der Agenda. Die Schweiz erweist sich dabei als Vorreiter: Dort wurden in dieser Woche die rechtlichen Vorgaben für Aktionärstreffen so gelockert, dass eine persönliche Anwesenheit von Anteilseignern nicht mehr erforderlich ist. Damit kann auch die Aussprache entfallen.

Der Schweizer Pharmakonzern Roche war das erste Unternehmen, das am 17. März von dieser neuen Regelung Gebrauch gemacht und sein Aktionärstreffen virtuell abgehalten hat. Die Aktionärsvertreter waren zuvor aufgefordert worden, ihre Stimmen an unabhängige Stimmrechtsvertreter zu übertragen. Der Beschluss über die Gewinnverwendung wurde gefasst, die Aktionäre erhalten die vorgeschlagene Dividende von neun Franken. Auch der eidgenössische Warenprüfkonzern SGS hat inzwischen angekündigt, seine Hauptversammlung am 24. März nach demselben Muster ohne Präsenz der Anteilseigner abzuhalten.

Eindringlicher DAI-Appell


Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wird das Thema OnlineHV inzwischen auch im politischen Berlin wieder konkreter diskutiert. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) wiederum hat am Donnerstag in einem Positionspapier gefordert, bereits in der HV-Saison 2020 Hauptversammlungen ohne physische Präsenz der Aktionäre zu ermöglichen.

"Die Unternehmen stehen vor massiven Problemen", sagte DAI- Chefin Christine Bortenlänger. In Deutschland müssten deshalb die gesetzlichen Regelungen ähnlich gelockert werden wie in der Schweiz oder in Frankreich. Konkret fordert Bortenlänger, die Verpflichtung zur Satzungsänderung für eine Online-Stimmabgabe und die Präsenzpflicht für Aktionäre aufzuheben. Auch die Haftung von Vorständen soll teilweise gelockert werden, fordert Bortenlänger. Der Gesetzgeber soll rasch handeln. "Wir können es uns nicht leisten, dass unsere Unternehmen mangels durchführbarer Hauptversammlungen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden."

Übernahmen wackeln


Unterdessen gefährden die Corona-Krise und die damit verbundenen Kurseinbrüche auch große Fusionen und Übernahmen. Allen voran den über 17 Milliarden Euro schweren Verkauf der Aufzugsparte von Thyssenkrupp an ein Konsortium aus Finanzinvestoren und der RAG-Stiftung. Wegen des dramatischen Kursverfalls bei Thyssenkrupp könnte der Deal rückgängig gemacht werden, wird am Markt spekuliert. Das Gleiche gilt für die Übernahme von Osram durch den österreichischen Chip spezialisten AMS. Weil der AMS-Aktienkurs eingebrochen ist, droht eine zur Finanzierung des Deals geplante Kapitalerhöhung zu scheitern.

Nach einem rasanten Jahresstart, auch angetrieben durch den Thyssenkrupp-Deal, hat das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen bei deutschen Firmen im März eine Vollbremsung hingelegt. Bis Dienstag (17. März) waren Transaktionen mit deutscher Beteiligung im Wert von 53,6 Milliarden Dollar angekündigt (plus 144 Prozent). Derzeit geht aber nichts mehr. Der Markt sei jetzt mindestens vier Monate eingefroren, glauben Experten. Aber viele Deals seien in Vorbereitung, um bei einer Beruhigung der Lage handeln zu können.