Das Schlimmste an einer Grippe sind ja oft gar nicht Fieber, Schnupfen und Müdigkeit. Erst das lange Warten beim Arzt, dann die Fahrt zur nächsten Apotheke treiben das Fieber hoch. Dank Digitalisierung fällt die Strapaze bald weg, vielleicht schon im kommenden Jahr. Patienten können sich dann für eine ­Videosprechstunde anmelden, die Verschreibung der Antibiotika läuft elek­tronisch. Ans Krankenbett geliefert wird das Medikament dann hierzulande von Versandhändlern wie Shop Apotheke oder der Zur-Rose-Tochter DocMorris. Über die digitale Erfassung der verschriebenen Arznei werden mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sofort erkannt.

So kann es zumindest laufen, wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sein "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelverordnung" durchsetzt. Aktuell erhält die Neuregelung den finalen Feinschliff. Mit dem eRezept sind alle einverstanden. Das Gremium aus Krankenkassenvertretern und Ärzten fordert bisher mehr Zeit. Es soll nach Inkrafttreten des Gesetzes die Rahmenbedingungen für das eRezept entwickeln. Ab 2020 sollen dann Ärzte via ­eRezept elektronisch verschreiben.

Herkömmliche Apotheken fürchten das eRezept. Ihre Sorge, dass die Kunden zu ausländischen Versendern abwandern, ist groß. Die auf die Pharmaindustrie spezialisierte Unternehmensberatung Dr. Kaske geht davon aus, dass mit der Einführung des eRezepts fünf Milliarden Umsatz mit verschreibungspflichtigen Medikamenten von den Filialen vor Ort ins Internet abwandern. Insgesamt machen die Ladenapotheken einen jährlichen Umsatz von etwa 30 Milliarden Euro mit verschreibungspflichtigen Arzneien. Der Marktanteil der hiesigen Platzhirsche Shop Apotheke und des zur Schweizer Firma Zur Rose gehörenden niederländischen Anbieters DocMorris dümpelt bislang bei einem Prozent.

Anders sieht es bei nicht verschreibungspflichtigen Produkten aus. Seit der Zulassung des Versands 2004 hat sich die Onlinekonkurrenz hier einen Marktanteil von mehr als 13 Prozent erarbeitet und setzt knapp 900 Millionen Euro jährlich um. Mit dieser Verlagerung des Geschäfts ins Netz schrumpft die Anzahl der stationären Apotheken: Vor zehn Jahren gab es bundesweit rund 21 600 Apotheken, inzwischen sind es noch etwa 19 423. Die Versorgung mit Medikamenten ist nicht mehr überall in Deutschland gewährleistet. Zwar haben rund 3000 der Ladengeschäfte auch eine Lizenz zum Versandhandel - doch nur ein Bruchteil nutzt sie.

Kommt also das eRezept, profitieren die bestehenden Anbieter. Und sie bereiten sich darauf vor. Shop Apotheke hat Anfang April über eine Kapitalerhöhung rund 50 Millionen Euro eingesammelt. Weitere Barmittel kommen über die Aufstockung einer in Aktien wandelbaren Anleihe. 40 bis 50 Millionen Euro könnten nach Schätzungen der Analysten der Privatbank Berenberg in das Marketing fließen. Die in Deutschland gegründete, aber vor neun Jahren von Europa Apotheek aus dem niederländischen Venlo übernommene Versandapotheke schreibt weiterhin rote Zahlen. Mit dem starken Wachstum durch die Digitalisierung des Medikamentenverkaufs sollte die Firma ihre jährlichen Verluste aber kontinuierlich verringern.

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Übernahmefieber ist hoch


Im vergangenen Jahr legte der Umsatz des europäisch aufgestellten Unternehmens um 90 Prozent auf 540 Millionen Euro zu. Im Hauptmarkt Deutschland verdoppelte sich der Umsatz nahezu auf 410 Millionen Euro. Der Anteil an verschreibungspflichtigen Medikamenten am Gesamtumsatz sprang von rund 29 Millionen Euro auf 167 Millionen Euro - ein Plus von 475 Prozent. Und das noch vor der Einführung des eRezepts. Dieses Jahr will Shop Apotheke den Umsatz um 30 Prozent auf rund 700 Millionen Euro steigern, im ersten Quartal hat das Unternehmen dieses Ziel mit plus 33 Prozent bereits übertroffen. Nicht nur das lässt auf eine Erhöhung der aktuellen Prognose hoffen: Auch die Geschäfte des 2018 übernommenen Er­gänzungsmittelspezialisten nu3 dürften das Wachstum beschleunigen.

Das Geschäft des Schweizer Konkurrenten Zur Rose legte im ersten Quartal um 28 Prozent zu, vor allem in Deutschland. Hier kam Zur Rose auf ein Plus von 46 Prozent, in Europa auf 40 Prozent und in der Schweiz auf knapp vier Prozent. Der Gesamtumsatz lag bei mehr als 380 Millionen Euro. Mit Blick auf die Einführung des eRezepts in mehreren europäischen Ländern schnappten sich die Eidgenossen in den vergangenen zwei Jahren fünf Versandapotheken. Mit einem europäischen Vertrieb könnten sie rezeptpflichtige Medikamente hierzulande günstiger anbieten.

Das will Gesundheitsminister Spahn jedoch unterbinden. Um die Apotheken vor Ort zu schützen, besteht der Minister auf der Preisbindung, obwohl die Regelung hierzulande dem geltenden EU-Recht widerspricht. Stoppen kann der Gesundheitsminister den Vormarsch des Versandhandels damit nicht.


Investor-Info

Shop Apotheke
Finanzspritze stärkt


Wie Amazon bevorzugt das Unter­- nehmen aus den Niederlanden aggressives Wachstum zulasten von Marge und operativem Ergebnis. Die Finanzmittel, um die avisierten hohen Wachstumsraten ausreichend zu finanzieren, sind dank Kapitalerhöhung und aufgestockter Anleihe jedoch vorhanden. Anleger setzen auf die Trendwende 2020. Dann eröffnet das elektronische Rezept ­zusätzliche Chancen. Zudem will Shop ­Apotheke im nächsten Jahr auch schwarze Zahlen schreiben.

Empfehlung: Kaufen

Kursziel: 40,00 Euro

Stoppkurs: 27,00 Euro

Zur Rose Group
Pille für mehr Ausdauer


Mit einer radikalen Expansionsstrategie hat das Schweizer Unternehmen jüngst Aktionäre verschreckt. Die zahlreichen Zukäufe kosten den Mutterkonzern des Versandhändlers DocMorris eine Menge Geld, bislang knapp 300 Millionen Euro. In Anbetracht der jährlichen Verluste brauchen Anleger bei den Eidgenossen eine Menge Ausdauer. Analysten gehen aktuell davon aus, dass auch 2021 Verluste geschrieben werden. Spekulativ.

Empfehlung: Kaufen

Kursziel: 100,00 Euro

Stoppkurs: 65,00 Euro

AB International Health Care
Heilsame Mixtur


Ein Investment in Apothekenaktien ist nur risikofreudigen Anlegern zu empfehlen. Etwas defensiver sind Fonds. Sehr gut aufgestellt ist das globale Portfolio von Alliance Bernstein mit der €uro-Fondsnote 1. Fondsmanager ­Vinay­ Thapar investiert in globale Aktien aus dem Pharmabereich, der Biotechnologie, ­Medizintechnik und medizinischen Dienstleistungen. Zu den Topwerten zählen Roche und ­Pfizer. Mit jährlichen Kosten von 2,01 Prozent ist der Fonds allerdings nicht billig.