Folgt man dem Argument von Gérard
Piasko, "stehen wir erst am Anfang
einer Entwicklung". So schätzt zumindest
der oberste Anlagestratege
der Deutschen Bank Schweiz den Kursverlauf
des Dollar gegen den Euro und die
damit einhergehenden Konsequenzen für
die Aktienmärkte ein. "Unsere neuesten
Prognosen sehen den Euro-Dollar-Kurs bei
1,20", so der Experte. Das entspricht auch
dem Kursziel von Goldman Sachs.
Eine solche Einschätzung hätten vor drei
Monaten wahrscheinlich nur die wenigsten
vorzunehmen gewagt. Da hatte der
Euro gegen den Dollar noch bei 1,40 notiert,
die 1,50 erschienen manchen Marktbeobachtern
durchaus in Reichweite. Seit
Mai hat die Einheitswährung gegenüber
dem Greenback aber rund zehn Prozent an
Wert verloren - und bei diesem Tempo hatten
die Aktienmärkte nicht genügend Zeit,
auf das neue Währungsgleichgewicht zu
reagieren. Erste Auswirkungen auf die
Bilanzen
wird man frühestens mit den
Berichten
zum dritten Quartal erkennen.
Positiv wird sich die Dollarstärke bei den
exportstarken Unternehmen der Eurozone
auswirken, die einen Großteil der Kosten
in Euro ausweisen, ihre Einnahmen aber
vor allem in Dollar. Aber bedeutet das für
Anleger jetzt, alles auf Europa zu setzen?
Noch dazu, wo von Bloomberg zusammengetragene,
weltweite Analystenprognosen
für den marktbreiten US-Index S & P 500
per Jahresende ein durchschnittliches Ziel
von 2040 Punkten und somit ein Potenzial
von gerade mal einem Prozent sehen? Die
Antwort: nicht unbedingt.
Denn die Frage, die man sich stellen
sollte, lautet: Welche US-Titel leiden unter
der Dollarstärke am wenigsten, könnten
ihre US-Konkurrenten von der Kursentwicklung
her hinter sich lassen und somit
gegen den Markttrend reüssieren?
Friedrich Mostböck, Chefanalyst der in
Wien ansässigen Erste Group, hat dazu
eine klare Meinung: "Sektoren, die in diesem
Umfeld profitieren, sind vor allem jene
mit einem niedrigen Euro-Exposure."
Dazu gehören "vor allem Telekomaktien,
Healthcare-Titel mit hohem Marktanteil in
den Vereinigten Staaten, Versorgerwerte
und US-orientierte Finanzwerte".
Auf Seite 2: Nationale Player
Nationale Player
Letztere schließen globale Giganten wie
Citigroup oder Goldman Sachs aus, aber
beispielsweise Wells Fargo ein. Die Bank,
an der auch Warren Buffett Anteile hält, ist
einer der größten Hausfinanzierer in den
USA. Anders als Rivalen wie JP Morgan
Chase oder Citigroup konzentriert sich
der Finanzkoloss von der Westküste weitgehend
auf das klassische Bankgeschäft
und meidet das schwankungsanfällige
Investmentbanking.
Bereits im vergangenen Quartal hat
Wells Fargo bewiesen, dass man auch so
gigantische Gewinne einfahren kann. 5,7
Milliarden Dollar hatte die Bank netto verdient
und damit rund vier Prozent mehr
als im Vorjahreszeitraum. Damals erklärte
der Chef John Stumpf, das Ergebnis sei
unter anderem auf die bessere Wirtschaftslage
zurückzuführen: "Je mehr Menschen
Arbeit haben, desto weniger Kreditausfälle
müssen wir verkraften."
Nachdem der makroökonomische Konsens
weiter in Richtung deutliche konjunkturelle
Erholung in den USA geht, wäre die
Retail-Bank also eine verlockende Investmentoption.
Das gilt umso mehr, als die sogenannte
Tier 1 Common Equity Ratio zuletzt
bei 11,31 lag, was ermutigend ist. Diese
Kernkapitalquote ist ein guter Indikator
für die finanzielle Stabilität eines Unternehmens.
Institute wie die Deutsche Bank
streben in der Regel einen Wert von zumindest
zehn Prozent an. Je investmentlastiger
die Konzernstrategie ist, desto höher
sollte die Kapitalausstattung sein, um das
riskantere Geschäftsmodell kompensieren
zu können.
Angesichts des Fokus von Wells Fargo
auf das traditionelle Kundengeschäft und
der Tatsache, dass vor allem die US-Konkurrenten
tendenziell geringere Kapitalquoten
ausweisen, erscheint die CET1-
Quote mehr als nur ausreichend; die Aktie
ist also ein Kauf. Auch die herkömmlichen
Kennzahlen und der Chartverlauf sprechen
für eine solche Einschätzung. Im
Sektor der auf dem Binnenmarkt starken
Banken ist Wells Fargo somit
noch vor U. S. Bancorp der Favorit.
Auch Bancorp ist nicht wirklich
teuer, die CET1-Ratio liegt aber mit
9,6 Prozent im einstelligen Bereich -
deshalb ist der Titel als Kaufempfehlung
hinter Wells Fargo einzureihen.
Auf Seite 3: Strategisches Investment
Strategisches Investment
Im Telekombereich drängen sich die beiden
Giganten AT & T sowie Verizon ins
Blickfeld - und Carlos Slim mit seinem
Konzern América Móvil. Medienberichten
zufolge will Slim mit dem Verkauf von Anteilen
in Mexiko bis zu 17,5 Milliarden Dollar
einnehmen. Das Unternehmen habe
seine Fühler für eine Veräußerung von Geschäftsteilen
im Osten seines Heimatmarktes
auch in Richtung AT & T ausgestreckt.
América Móvil trennt sich in großem Stil
vom Geschäft in Mexiko, um dort den
Marktanteil auf unter 50 Prozent zu drücken
und so neuen Auflagen der Wettbewerbshüter
zu entgehen. Móvil verfügt im
Fest- und Mobilnetz über Marktanteile zwischen
75 und 80 Prozent. Die angebotenen
Netze könnten auf einen Verkaufswert von
bis zu 17,5 Milliarden Dollar kommen.
Verizon hat einen strategischen Investment-
Case ähnlicher Art derzeit nicht zu
bieten. Auch aufgrund der etwas günstigeren
Bewertung und einer erwarteten Dividendenrendite
von mehr als fünf Prozent
hat AT & T die Nase einen Tick voraus.
Auf Seite 4: Gesunde Gewinne
Gesunde Gewinne
Im Healthcare-Geschäft, also bei Dienstleistungen
aller Art im Gesundheitswesen,
erscheint Aetna als interessantestes Mitglied
der Branche. Das Unternehmen ist
im Gesundheits- und Dentalbereich stark
und fasst unter seinem Dach auch diverse
Lebens-
und Berufsunfähigkeitsversicherungen
zusammen.
Durch die Übernahme des
Konkurrenten Coventry Health
Care vor zwei Jahren kamen zudem zahlreiche
Produkte zur generellen Gesundheits-
und Dentalvorsorge sowie verschiedene
Zusatzpolicen wie Lebens-, Arbeitsunfähigkeits-
und Pflegeversicherungen
ins Produktportfolio.
Die Übernahme sicherte Aetna ein größeres
Stück am Obamacare-Kuchen. Das
nach Präsident Barack Obama benannte
Krankenversicherungssystem soll auch ärmeren
Bevölkerungsschichten ausreichenden
Zugang zum Gesundheitsapparat sichern.
Im vergangenen Quartal hat Aetna
mit Hinweis auf die positiven Effekte durch
Obamacare höhere Profite angemeldet -
ein Trend, der sich fortsetzen sollte.
Insgesamt gibt es in der Branche zwar
keine wirklichen Dividendenbringer. Aufgefallen
ist aber zuletzt Aetna-Konkurrent
WellPoint durch die Aufstockung des Aktienrückkaufprogramms
um fünf auf sechs
Milliarden Euro. Diese Initiative sollte den
Aktienkurs eine Weile stützen.
Auf Seite 5: Ein Duke für alle Fälle
Ein Duke für alle Fälle
Als möglicherweise schon zu weit gelaufen
präsentiert sich die Versorgerbranche.
Hier haben diverse Titel ihre historischen
Höchststände überwunden und sind zuletzt
immer noch weiter nach oben marschiert
- hier droht Korrektur.
Ausnahme: Duke Energy aus North Carolina.
Auffällig war zuletzt, dass sich Duke
zu 40 Prozent am Bau einer Fünf-Milliarden-
Dollar-Pipeline von West Virginia nach
South Carolina beteiligt hat. Gestemmt
werden soll das mit der ebenfalls börsennotierten
Firma Dominion Resources, die
bei dem Projekt die Rolle des Seniorpartners
übernimmt. Dominion gehört aber zu
den Titeln, die inzwischen etwas zu teuer
sind. Duke Energy hat zudem einen weiteren
Pluspunkt: eine Dividendenrendite von
4,4 Prozent.
Auf Seite 6: Niedriges Euro-Exposure, hohe Profit-Chance