Claire Shaw hat sich ambitionierte Ziele gesetzt: Zehn Prozent Rendite pro Jahr strebt sie mit dem von ihr gemanagten Oyster European Mid & Small Cap an. Bisher hat sie die Vorgabe erreicht. Seit Anfang Oktober 2014 für den Fonds verantwortlich, schaffte sie seitdem jährlich 12,6 Prozent. Um weiterhin zweistellig zulegen zu können, ist die gebürtige Schottin bereit, "die Extrameile zu gehen".

Investmententscheidungen trifft sie erst, wenn sie alle Informationen gesammelt und bewertet hat. Das kann bis zu acht Wochen dauern. Die Unternehmen ihres Aktienuniversums weisen eine geringe Marktkapitalisierung auf. Analysteneinschätzungen liegen daher kaum vor. Shaw muss also selbst aktiv werden, um sich ein Urteil zu bilden. Dabei geht sie überaus gründlich vor und vertieft sich nicht nur in die Bilanzen. Die studierte Geografin spricht auch mit den Firmenlenkern vor Ort, lässt sich Details erklären und prüft, ob und inwieweit deren Wachstumsvorgaben realistisch sind. Auch Kundenmeinungen holt sie ein und beobachtet die Konkurrenz. Die könnten ja ein besseres Produkt auf den Markt bringen.

Qualität setzt sich durch



Das allein aber reiche nicht, um an der Börse langfristig erfolgreich zu sein, ist Shaw überzeugt. "Man muss auch gegen den Strom schwimmen, anders denken als die Masse." Dazu braucht es immer wieder Mut. Die Contrarian-Investorin sucht nach kerngesunden Unternehmen, die jedoch an der Börse vorübergehend in Ungnade gefallen sind. Ein Grund, warum Anleger die Aktie meiden, kann unter anderem ein der Branche unterstelltes zyklisches Risiko sein, zum Beispiel sinkende Rohstoffpreise. Die hohe Qualität der Firmen werde sich am Markt jedoch langfristig durchsetzen und Anleger zum Kauf motivieren, so die Managerin.

Zu ihren aktuellen Favoriten zählt etwa Ion Beam Applications (IBA). Das belgische Medizintechnikunternehmen ist Marktführer auf dem Gebiet der immer häufiger zur Krebsbehandlung eingesetzten Protonentherapie. "Diese Anwendung minimiert Schäden im gesunden Gewebe, reduziert das Risiko von Sekundärtumoren und kann die Lebensqualität von Patienten klar verbessern", erläutert Shaw. Dennoch hat die Aktie zuletzt kräftig verloren. IBA musste aufgrund von nicht selbst verschuldeten Produktionsverzögerungen mehrere Gewinnwarnungen herausgeben. "Das war für mich die lang erwartete Gelegenheit zum Einstieg", sagt die Expertin.

Von einem Sturm erfasst wurde auch Lucara Diamond. Das Unternehmen betreibt seit dem Jahr 2012 in Botswana die Karowe-Mine. "Seitdem wurden 73 Diamanten in der Edelsteinqualität von über 100 Karat gefunden und 145 Diamanten, die für eine Million Dollar den Besitzer wechselten", weiß Shaw. In den häufigen Funden großer Diamanten erkennt die Managerin einen klaren Wettbewerbsvorteil. Für ein Engagement sprächen zudem eine Dividendenrendite von vier Prozent, die hohe Rentabilität und die "phänomenale Cashposition" von Lucara Diamond.

Warten, bis die Stimmung dreht



Im vergangenen Jahr gab es bei Lucara Diamond allerdings nur wenig gute Nachrichten. Auch entwickelte sich der Diamantenmarkt insgesamt eher schleppend. Binnen eines Jahres gab der Titel um rund 26 Prozent nach. Shaw investierte und wartet nun geduldig, bis sich die Stimmung der Anleger dreht. Auch den übrigen Titeln im Portfolio gibt sie Zeit, das von ihr anvisierte Kursziel zu erreichen. Die Umschlagshäufigkeit des Fonds ist daher relativ gering.

Werte, die ihrer Philosophie entsprechen, findet Shaw derzeit unter anderem mit Riverstone Energy im Öl- und Gassektor. Bisweilen greift sie aber auch bei attraktiven Börsenneulingen zu, wie bei der im Sommer vergangenen Jahres erstmals in Mailand gelisteten Do Bank. Das mit guter Bonität ausgezeichnete Institut kauft italienischen Bankhäusern notleidende Kredite ab. Im Stiefelstaat herrscht daran kein Mangel.