Herr Paul, seit ein paar Tagen gibt es die neuen Panini-Alben und -Sticker zur Fußball-WM. Jetzt grassiert bei den Kids wieder das Jagdfieber. Haben Sie nicht manchmal Gewissensbisse? Weil wir die Kinder verführen?
Genau.
Nein (lacht), das glaube ich nicht. Das Sammeln hat eine große soziale Komponente. Man muss die Sticker ja tauschen. Das bringt Kinder zusammen und häufig auch Erwachsene. Dabei entwickeln sich sogar Freundschaften.
Freundschaft schließen über Abziehbilder?
Ja. Es sind sogar Hochzeiten entstanden.
Bitte?
Wir kennen einen Fall, bei dem sich die Partner beim Sammeln der Bilder zur Fußball-WM 2006 kennengelernt haben. Der Mann hat den Heiratsantrag mit Sticker-Tüten formuliert, die er auf dem Boden im Wohnzimmer ausgelegt hat.
Und die Dame seines Herzens hat mit Panini-Tütchen ein Ja geformt?
Jedenfalls hat sie Ja gesagt (lacht). 2010 haben beide geheiratet.
Aber die Sammelwut ist mitunter etwas kontraproduktiv. In Münchner Schulen gibt es schon Tauschverbote für die Star-Wars-Kollektion aus Ihrem Hause. Jetzt kommen die Panini-Fußball-Bildchen. Müssen wir uns um die berufliche Zukunft unserer Kinder Sorgen machen?
Das kann ich mir nicht vorstellen - eher im Gegenteil (lacht). Natürlich muss man je nach Produkt unterscheiden: Aber zumindest die Sticker zur Fußball-WM haben durchaus edukativen Charakter - ob das die Flaggen sind, die Spielorte oder die Spieler anderer Länder. Das lernen die Kinder gleich mit. Insofern wird Panini in den Schulen gar nicht negativ gesehen - eher im Gegenteil.
Also Geographie-Unterricht mit Klebebildchen?
Ein wenig schon. Im übrigen sind mir auch viele Lehrer bekannt, die die WM-Bilder sammeln.
Panini-Bilder werden ja nicht nur von Kindern gesammelt, sondern auch von Erwachsenen. Wie erklären Sie sich das?
Eine Erklärung ist sicherlich, dass hinter der Fußball-WM und dem Panini-Album der Traum von der Karriere als Fußball-Profi steht. Und wenn man dann noch herausragt, findet man sein Bild eines Tages in einem Panini-Album. Dazu kommt: Väter oder Großväter, aber auch Mütter und Großmütter sammeln mit den Kindern und Enkeln. Und viele machen so auch einen kleinen Ausflug in ihre eigene Kindheit.
Nun peilt Panini für die WM in Brasilien einen weltweiten Absatzrekord: Was macht Sie so optimistisch?
Die nächste WM spielt nicht in irgendeinem Land, sondern in Brasilien - im Land des Rekord-Weltmeisters. Weltweit ist kaum ein anderes Land so Fußball-besessen.
Und jetzt wird alles noch mal verrückter in Peles own Country?
Wir glauben schon.
Panini hat 2010 erstmals mehr Sticker in Brasilien verkauft als in Deutschland. Wird Brasilien auch 2014 weltweit der wichtigste Markt für Panini-Bildchen zur Fußball-WM?
Jedenfalls erwarten wir das. Denn zur ohnehin schon großen Fußball-Begeisterung kommt auch noch der Heimvorteil - ähnlich wie 2006 zur Fußball-WM in Deutschland.
Der Heimvorteil ist ja sehr gewichtig. 2006 hat Panini zur Fußball-WM in Deutschland mit 160 verkauften Millionen Tütchen einen Rekord aufgestellt. Was peilen Sie für 2014 in Deutschland an?
Wir haben ehrgeizige Ziele.
Das ist etwas vage. Immerhin beliefern Sie im laufenden Jahr über 80.000 Einzelhändler in Deutschland - so viele wie noch nie.
Stimmt. Aber ob wir an den Rekord von 2006 herankommen, kann ich jetzt noch nicht absehen.
Gemessen an der Marktdurchdringung ist Panini jedenfalls ein Phänomen. Je nach Erfolg kauft jeder Deutsche im Schnitt vor der WM mindestens eine oder mehrere Tüten mit jeweils fünf Stickern. Kennen Sie noch ein anderes Produkt, das so erfolgreich ist?
Ich wüsste keines (lacht). Aber es gibt andere Länder, da ist der Pro-Kopf-Verkauf sogar noch höher, denken Sie an Österreich oder die Schweiz.
Im Falle Österreichs wirkt das wie Ersatzbefriedigung. Austria ist ja dieses Mal nicht dabei?
Die Schweiz ist dabei und die Marktdurchdringung ist trotzdem hoch.
Der Spielerkader für das WM-Album wurde bereits im Februar festgelegt. Hinter vielen Spielern stehen aber noch Fragezeichen, auch in Deutschland. Werden wir trotzdem alle nominierten Spieler nach der Nominierung am 8. Mai im Album haben?
Zunächst haben wir ja 17 Spieler im Album. Und wenn nicht noch etwas Unvorhergesehenes wie eine Verletzung passiert, gehen wir davon aus, dass alle auch nominiert werden.
Aber der Kader ist ja größer als 17 Spieler. Was ist mit den anderen?
Es kommt auf die Bedeutung an. 2006 ist Jens Lehmann nachgerückt und wir haben sichergestellt, dass das Lehmann-Portrait auch verfügbar war. Aber wir haben eben nur Platz für 17 Spieler.
Passiert es eigentlich, dass Spieler, die es ins Album geschafft haben, bei Ihnen anrufen, und einen ganzen Satz Panini-Bilder von sich für die Familie, ihre Fans und sich selbst bestellen?
Na ja, viele Spieler möchten aber nicht einen ganzen Bogen, sondern das Album und eine Box mit 100 Stickern. Das komplette Album ist nicht gefragt. Da sind die Nationalspieler wie die Kinder: Sie reissen die Tüten auf und wollen selbst kleben.
Ich bin im Panini-Album also bin ich?
So ähnlich (lacht).
Panini ist ja nicht nur eine Leidenschaft von Sammlern, sondern auch eine Herausforderung für Mathematiker. Die haben mit der Foata-Han-Lass-Formel oder der Euler-Mascheroni-Konstante ausgerechnet, was ein Panini-Album bis zur vollständigen Befüllung kosten kann - rein theoretisch. Sagen Ihnen die Formeln was?
Nein (lacht).
Dann sind wir ja schon zu zweit. Aber im Kern geht es dabei um die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten. Danach würde es locker 450 Euro kosten, ein Album zu füllen, wenn man nur kauft.
Vom wahren Leben sind solche astronomischen Beträge Lichtjahre entfernt....
...Weil es Tauschbörsen gibt...
und man ja fehlende Sticker auch gezielt direkt bestellen kann.
Sie halten sich also lieber ans "Geschwister-Sammelbildproblem", wonach es - mathematisch bewiesen - erheblich günstiger wird, je mehr sich zusammentun?
Ja: Am Ende wird es so viel günstiger und macht auch noch viel mehr Spaß.