Die Outperformance sogenannter Wachstumswerte (Growth) ist kein Novum der jüngeren Vergangenheit. Vielmehr ist diese mittlerweile sozusagen schon in die Jahre gekommen - denn seit mehr als zehn Jahren haben solide Substanzwerte im direkten Vergleich oftmals das Nachsehen. Sie stehen nicht so im Rampenlicht, werden häufig von den An­legern gemieden und bei den Bewertungen teilweise abgestraft. Zeit für einen Favoritenwechsel - aus den Verlierern von gestern können die Stars von morgen werden. Tatsächlich lassen sich hierfür stichhaltige Gründe anführen.

Zum einen ist es erwiesenermaßen so, dass Investoren langfristig mit einer Value-Strategie am besten abschnei- den. So gibt es in der Rückschau auf die vergangenen Jahrzehnte nur wenige Zeiträume, in denen ein anderer An­lagestil zu bevorzugen gewesen wäre. Insofern macht es Sinn, sich dieser Stilidee zu nähern.

Der Grundgedanke von Value-Investoren lässt sich wie folgt umschreiben: Sie bevorzugen bei ihrer Aktienauswahl zumeist Unternehmen, welche aufgrund ihrer Gewinne, Cashflows oder Substanzwerte günstig erscheinen und das Potenzial besitzen, Boden wiedergutzumachen. Ergo blickt der Investor auf die Fakten, nicht auf Visionen.

Speziell im aktuellen Kapitalmarkt­umfeld gibt es vermehrt Anleger, die wieder auf die Fundamentaldaten und traditionellen Bewertungskriterien wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Cashflow sowie Dividendenrenditen schauen. Das hat seinen guten Grund, sind doch die Pendants der Wachstumswerte in den zurückliegenden Jahren teilweise durch die Decke geschossen. Sogenannte Einhörner werden oftmals schon vor ihrem Börsengang mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet, obwohl fraglich bleibt, ob sie jemals rentabel sein werden. Atemberaubende Summen werden in Start-ups investiert, die sich erst noch am Markt beweisen und durch­setzen müssen.

Gerade hier hilft auch ein Blick in die Vergangenheit. So lösten sich in Zeiten des Neuen Marktes viele Hoffnungen und Träume von jetzt auf gleich förmlich in Luft auf. Meist erfolgte der Prozess durch die Nichtrealisierung von hohen Wachstums- und Gewinnversprechen. Rund zwei Jahrzehnte später sehen wir ein vergleichbares Szenario. Wiederum gibt es eine hohe Anzahl an Unternehmen mit zwar überdurchschnittlichen Wachstumsraten, aber doch defizitären Geschäftsmodellen. Insofern kann es durchaus von Vorteil sein, näher hinzuschauen und Versprechen auf Herz und Nieren zu prüfen. Umso geringer ist dann das Enttäuschungspotenzial.

Value-Perlen der zweiten Reihe trotzen allen Widrigkeiten


Überzeugende wachstumsstarke, gleichwohl günstig am Markt gehandelte Substanztitel lassen sich hierbei insbesondere bei den Small und Mid Caps finden. Betrachtet man die Bewertungen im Vergleich zu den eher defensiven Bluechips, dann erkennt man wesent­liche Unterschiede. Viele Small und Mid Caps sind zumeist außerordentlich niedrig bewertet und sollten dadurch intrinsisch das höchste Renditepotenzial bergen.

Beispiele sind der vor mehr als einem Jahrhundert gegründete Automobilzulieferer und Familienkonzern Hella oder die im MDAX notierte Deutsche Pfandbriefbank. Beide Unternehmen trotzen fortwährend den Widrigkeiten ihrer Branchen und überzeugen dank konservativer Unternehmens­führung mit einer nachhaltigen Erfolg versprechenden Ausrichtung.

Wir sind davon überzeugt, dass Sub­stanz letztlich entscheidet. Wir lassen uns bei unseren Investitionsentscheidungen nicht von den Irrungen des Marktes oder von gehypten Geschäftsmodellen blenden. Wir denken nicht nur in Anlagekategorien wie Value und Growth. Sondern wir setzen uns stets mit den einzelnen Unternehmen und deren Geschäftsmodellen auseinander. Unser Augenmerk gilt gerade jenen Unternehmen, die operativ und langfristig strategisch gut positioniert sind, denen der Markt und dessen Teilnehmer jedoch teilweise nicht genug Beachtung schenken. Denn es gibt wenig ökonomische Gründe, weswegen Bewertungs­aspekte heutzutage keine Rolle mehr spielen sollten.

Kurzvita

Olgerd Eichler
Fondsmanager bei MainFirst
Eichler ist seit 2007 Portfoliomanager bei MainFirst. Er verantwortet den MainFirst ­Germany Fund und den MainFirst Top European Ideas Fund. Zuvor managte er sieben Jahre lang insgesamt acht internationale Publikums- und Spezialfonds bei Union Investment. In den 90er-Jahren war Eichler für das Treasury und Private Banking der Citibank tätig.
MainFirst Asset ­Management ist eine unabhängige Multi-Investment-Boutique mit einem aktiven ­Managementansatz.