Das Gerät ist in etwa halb so groß wie ein Smartphone und in den USA seit Juni auf dem Markt. Personen mit Typ-1-Diabetes, die älter sind als 14 Jahre und an der erblichen Autoimmunerkrankung leiden, können damit ständig den Blutzucker überwachen. Der vom Medtechkonzern Medtronic entwickelte MiniMed 670G ist das erste System, das den Blutzuckerspiegel über die Abgabe von Basalinsulin automatisch reguliert.
Möglich macht dies das Zusammenspiel aus zwei Sensoren im Unterhautfettgewebe, einer Insulinpumpe und einem Messgerät. Dieses kommuniziert per Funk mit der Pumpe. Weicht der Messwert vom Referenzwert ab, müssen die Anwender eine Kalibrierung durchführen. Die Insulindosis wird in fünfminütigen Intervallen einem Zielwert angepasst. Folge: stabile Blutzuckerwerte - und damit ein vermindertes Risiko von gefährlicher Über- oder Unterzuckerung.
Die Krankheit wird kontrollierbar
In Deutschland könnte der MiniMed 670G im kommenden Jahr zugelassen werden. Das Gerät ist ein Beispiel für neue Diabetestherapien. Während nur fünf Prozent aller Patienten von Typ-1-Diabetes betroffen sind, sind die globalen sozioökonomischen Auswirkungen bei Diabetes 2 weitaus gravierender (siehe Infografiken Seite 22). So sollen laut International Diabetes Federation die globalen Krankheitsfälle bei diesem Diabetestyp in den Jahren 2015 bis 2035 von 387 auf 592 Millionen Patienten steigen.
"Die Medizintechnik spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Insulin mit der richtigen Dosis zum richtigen Zeitpunkt abzugeben", ist Portfoliomanager Marcel Fritsch von der Schweizer Bellevue Asset Management überzeugt. "In der Diabetes geht es vor allem darum, die langfristigen Folgeerkrankungen zu vermeiden, weil diese sehr teuer sind. Die Krankenkassen werden deshalb für neue Messgeräte und andere Anwendungen zahlen, wenn sich damit die gesamten Kosten für die Behandlung nachweislich reduzieren lassen." Bis zur vollautomatischen Messung und Steuerung von Blutzucker und Insulin, so Fritsch weiter, sei es allerdings noch ein Stück Wegs: "Die künstliche Bauchspeicheldrüse wird frühestens in etwa fünf Jahren kommen."
Die neuesten Entwicklungen gehen in Richtung kontinuierliche Messung des Blutzuckers. Der US-Konzern Abbott Labs hat 2016 die Zulassung für FreeStyle Libre erhalten, das erste entsprechende Messgerät, das ohne Kalibrierung der Daten auskommt. Einziger Wermutstropfen ist, dass man das Resultat noch von Hand einscannen muss. Eine wirklich kontinuierliche Blutzuckermessung bietet bereits heute Dexcom an, doch das Gerät des kalifornischen Konzerns hat von der US-Behörde FDA nicht den Stempel erhalten, dass es ohne Kalibrierung auskommt. Folglich muss es häufig eingestellt werden. Abbott wie auch Dexcom erwarten aber Fortschritte im nächsten Jahr.
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Neue Blockbuster-Medikamente
Arzneien sind das zweite Feld für die Behandlung von Diabetes. Neue Therapien zielen zum einen auf die bessere Regulierung des Insulinspiegels, zum anderen auf Diabetes-Folgeerkrankungen wie Fettleibigkeit. Übergewicht verstärkt zwei Kerndefekte, die Diabetes auslösen: Insulinresistenz und die Fehlfunktion der Betazellen, welche in der Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin produzieren. Neue Medikamentenklassen führen zu teilweise deutlichem Gewichtsverlust.
Ganz vorn dabei ist hier der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk mit seinem Milliardenprodukt Victoza und dem Hoffnungsträger Semaglutide. Eine klinische Studie an gut 10 000 Diabetes-2-Patienten zeigte verminderte Herz-Kreislauf-Sterblichkeit. Zudem ist das Mittel mit sämtlichen Antidiabetika und Insulinen kombinierbar. Am 5. Dezember (nach Redaktionsschluss von BÖRSE ONLINE) entscheidet die FDA über die Zulassung von Semaglutide in der einmal wöchentlichen Verabreichungsform per Injektion. Das zuständige Fachgremium hatte sich Mitte Oktober einstimmig dafür ausgesprochen. Der ganz große Durchbruch für das Produkt wäre die Zulassung als einmal täglich einzunehmende Tablette. Die dafür nötigen Ergebnisse will Novo Nordisk im Sommer 2018 präsentieren.
"Bei den Diabetesmitteln gehört den Produkten die Zukunft, die täglich als Tablette eingenommen werden und den Blutzuckerspiegel um mehr als ein Prozent absenken können", sagt Mario Linimeier, Geschäftsführer bei Medical Strategy. Novo Nordisk könne damit in eine neue Umsatzdimension bei Diabetesmitteln wachsen. Konkret: "Sechs Milliarden US-Dollar an jährlichen Spitzenumsätzen, wie sie Merck mit Januvia erzielt, wären im Falle einer Zulassung eine eher konservative Schätzung für die Semaglutide in Pillenform."
Diese Firmen spielen vorn mit
Aus Anlegersicht empfiehlt es sich, auf Firmen mit marktreifen Produkten zu setzen. Der Medtechkonzern Abbott Labs bietet mit seinem breiten Produktportfolio im Verbund mit der günstigen Bewertung gute Einstiegskurse. Bislang bildeten Generika, Diagnostika sowie Geräte für Herz-Kreislauf- und Nervenerkrankungen das breite Fundament. Mit dem FreeStyle Libre ist die Gesellschaft erstmals Vorreiter bei der Diabetesmessung.
Der Erfolg von Abbott setzte den Aktienkurs von Dexcom unter Druck. Top sind die Kalifornier aber weiterhin mit dem kleinsten und genauesten Sensor für die Blutzuckermessung. Dazu hat Dexcom im November eine Kooperation mit dem Pharmariesen Eli Lilly vereinbart. Die beiden Firmen werden zusammen einen Smartpen entwickeln. Von einem Sensor werden die Blutzuckerdaten drahtlos auf den Pen geleitet, und daraus wird die richtige Insulindosis berechnet. Spekulative Naturen greifen auf dem aktuellen Kursniveau bei Dexcom zu. Bei Eli Lilly ist dagegen Abwarten angesagt. Der Pharmakonzern hat zwar die Einnahmeeinbußen aus ausgelaufenen Patenten mittlerweile gut kompensiert und besitzt mit Präparaten wie Trulicity, Jardiance, Humulin und Humalog Diabetesmittel, die sich gut verkaufen. Allerdings ist das moderate Gewinnwachstum mit der aktuellen Aktienbewertung bereits gut bezahlt.
Das gilt noch mehr für Sanofi. Der weltweit drittgrößte Pharmakonzern kämpft weiter mit rückläufigen Einnahmen. So ist kein Nachfolger für das Insulinpräparat Lantus in Sicht, dessen Patent abgelaufen ist. Zudem steht das Unternehmen wegen eines Impfstoffs unter Druck.
Novo Nordisk ist mit einem Marktanteil von über 40 Prozent global führend bei den Insulinen und steht mit 13 Prozent auch bei den neuen Medikamentenklassen der sogenannten GLP-1- und SGLT-2-Inhibitoren ganz vorn. Mit starken Produktverkäufen, der erwarteten Zulassung von Semaglutide und mit seiner Entwicklungspipeline hat Novo Nordisk beste Voraussetzungen, um wieder zu seiner ungemein hohen Wachstumsdynamik zurückzukehren.
Ionis Pharma ist führend in der Antisense-Technologie. Dabei schalten RNA-Wirkstoffe bestimmte Gensegmente, die Messenger-RNS, ab. Bei einem Produkt, das 2018 vor der Zulassung steht, wird damit die Bildung von Triglyceriden verhindert, die bei der Entstehung von Fettleibigkeit eine zentrale Rolle spielen. Mit Spinraza, einem Heilmittel gegen spinale Muskelatrophie, eine erblich bedingte und bislang unheilbare Erkrankung, hat Ionis seit 2017 den ersten potenziellen Blockbuster auf dem Markt. Die Aktie des US-Pharmakonzerns hat einen größeren Chance-Risiko-Hebel als Novo Nordisk - nicht nur nach oben, sondern bei klinischen Fehlschlägen auch nach unten.
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Diabetes auf einen Blick
Globale Volkskrankheit. Schätzungen der International Diabetes Federation (IDF) zufolge wird die Zahl der Diabeteskranken zwischen 2015 und 2020 von 415 auf 642 Millionen Patienten steigen. Davon kommt die Hälfte aus China und Indien. Der in 95 Prozent aller Fälle auftretende Diabetes Typ 2 ist mit Gewichtszunahme verbunden. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben 30 bis 50 Prozent der Personen mit Übergewicht auch Diabetes. 90 Prozent der Diabetiker haben Übergewicht, und 68 Prozent der über 65-Jährigen mit Diabetes sterben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.