Beim französischen Pharmagiganten Sanofi hat die Corona-Krise zu keinerlei Nebenwirkungen geführt. Im Gegenteil: Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen Ende Juli hat das Management die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr angehoben. Darüber hinaus ist der Konzern innerhalb der Pharmaindustrie einer der Vorreiter bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19.

Den Aktienkurs von Sanofi hat der jüngste Nachrichtenfluss allerdings noch nicht beflügelt. Ein ähnliches Bild zeigt die Kursentwicklung im gesamten Pharmasektor. Nach der rapiden Erholung bis April ging es mit dem Index MSCI World Healthcare vergleichsweise gemächlich nach oben. Pharmakonzerne stehen für fast die Hälfte der Gewichtung in diesem Index. Besser läuft der Nasdaq Biotechnology Index, das maßgebliche Börsenbarometer der Biotechbranche.

Dabei ist Pharma zuletzt in die Wachstumsspur zurückgekehrt. Die 21 größten Pharmakonzerne, so hat eine Studie der Unternehmensberatung EY ermittelt, beschleunigten 2019 das Umsatzwachstum auf 12,3 Prozent. Beim operativen Gewinn legten sie um 11,9 Prozent zu, nachdem im Vorjahr noch ein Rückgang um 3,2 Prozent zu verzeichnen war. Eine sinkende Nachfrage nach Arzneien infolge der Corona-Pandemie lasse sich bislang nicht feststellen, sagt Christian Lach, Fondsmanager bei Bellevue Asset Management: "Pharmakonzerne mit kleineren hochmargigen Produkten und einer breiten Pipeline haben sich vergleichsweit gut behauptet. Zusätzlich hat eine Lagerbevorratung für Sonderkonjunktureffekte auf der Umsatzseite gesorgt."

Ein Risikofaktor bleibt allerdings: Weil die Krankenhäuser und Zulassungsbehörden derzeit ihre Kapazitäten auf die Corona-Pandemie ausrichten, ist es möglich, dass der Ablauf von klinischen Studien beeinträchtigt wird. Noushin Irani, Fondsmanagerin bei DWS, sieht die Medikamentenentwicklung als Ganzes davon wenig betroffen: "Es kommt in der Summe zu leichten Verzögerungen bei der Durchführung von klinischen Studien, aber nicht zu dramatischen Verschiebungen. Davon betroffen sind eher die Rekrutierung von Patienten und die klinischen Daten in Krankheitsfeldern wie neurologischen Erkrankungen."

Die Zahl der zugelassenen Arzneien bestätigt den Trend. Stand zweite August-Woche wurden 2020 in den USA 35 neue Produkte zugelassen, im Gesamtjahr 2019 waren es 48. Für Branchenexperte Lach ein klarer Beleg, dass sich die positive Grundstimmung auf regulatorischer Seite, klinische Produkte mit einem neuen Wirkprofil zu fördern, durch die Corona-Krise weiter verbessern wird. Allein gegen Krebs werden mehr als 2500 Wirkstoffe in Pharmalabors entwickelt.

Vier Pharma-Champions

Wegen ihrer stabilen Margen und hohen Dividenden eignen sich Pharmaaktien als defensive Bausteine für jedes Anlegerdepot. Die aktuell niedrige Bewertung liefert ein weiteres Kaufargument. Mit einem durchschnittlichen 2021er-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 sind Pharma- und Biotechaktien deutlich niedriger bewertet als der S & P 500, der aktuell auf 20 kommt. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass die Pharmakonzerne sich nach dem Abklingen der Coron-Krise wieder verstärkt nach Übernahmezielen aus dem Biotechsektor umsehen. "Auf dem Radar sind vor allem mittelgroße Biotechs mit einzelnen Produkten und mit dominierender Position in einzelnen Orphan-Indikationen, also Krankheiten, für die es bislang keine oder nur unzureichende Behandlungsoptionen gibt", sagt DWS-Fondsmanagerin Irani.

Das beste Chance-Rendite-Profil für Anleger haben Pharmakonzerne, die in solchen Indikationen mit hohem medizinischem Bedarf verstärkt unterwegs und bei neuen Ansätzen wie den Gentherapien mit ersten marktreifen Produkten führend sind. Dazu zählt der Schweizer Pharmakonzern Novartis, der mit seinen jüngsten Quartalszahlen leicht unter den Erwartungen blieb. Die langfristigen Wachstumsperspektiven sprechen indes für sich: Für den Zeitraum 2019 bis 2022 gehen die Analystenschätzungen von einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von über fünf Prozent beim Umsatz und 25 Prozent beim Gewinn je Aktie aus. Ähnlich ist das Bild bei Merck & Co. Der US-Konzern zeichnet sich durch ein breites Produktportfolio aus und hat erst kürzlich die Prognose für 2020 angehoben. Den auf zehn Milliarden US-Dollar weiter gestiegenen Cashflow wird Merck vor allem in die eigene Forschung und Entwicklung investieren.

Hierzulande weniger bekannt ist UCB. Die belgische Gesellschaft ist auf Autoimmunerkrankungen und Nervenkrankheiten wie Epilepsie spezialisiert. Die operative Marge von zuletzt 30 Prozent liegt im oberen Branchenschnitt. Zukäufe wie jüngst Engage Therapeutics ergänzen das organische Wachstum. Wegen der niedrigen Liquidität empfiehlt es sich, die Aktie an der Euronext Brüssel zu ordern. Günstig bewertet ist indes die Sanofi-Aktie. Neben neuen Produkten erweitert die Gesellschaft ihre Geschäftsfelder. So kündigte Sanofi im Februar an, ein Unternehmen für die lukrative Auftragsproduktion von Arzneimittelwirkstoffen zu gründen, das 2021 an die Börse gebracht werden soll. Stefan Riedel

 


Auf einen Blick

Pharma

Defensivklassiker: Was die reinen Wachstumsraten angeht, liegt die Pharmabranche hinter den Biotech- und Generikafirmen zurück. Im Gegenzug stehen die Pharmakonzerne für hohe Margen und stabile Cashflows. Diese Mittelzuflüsse kommen Anlegern in Form von kontinuierlich hohen Dividendenausschüttungen zugute.