Erst mal Sonnenschein und Urlaub genießen", wünscht sich Erich Schreiber (Name von der Redaktion geändert) für den anstehenden Ruhestand. Der aktive 63-Jährige scheidet im Herbst frühzeitig aus einem kleinen mittelständischen Unternehmen aus. Sein Arbeitgeber bot ihm eine Abfindung in Höhe von 80 000 Euro - und er hat eingeschlagen.
Die Einmalzahlung der Abfindung von rund zwei Jahresgehältern erhöht Schreibers zu versteuerndes Einkommen schlagartig. Damit einher geht eine Anhebung des persönlichen Einkommensteuersatzes: Schreiber rutscht in die Progressionsfalle und müsste für Teile seiner Einkünfte den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlen, wenn er nicht aktiv wird. Gleichzeitig ist aufgrund des Eintritts ins Rentenalter eine geringere Steuerlast absehbar. Eine Einkommensspitze, die es durch clevere Steuergestaltung zu glätten gilt.
Zu versteuerndes Einkommen senken
Eine Möglichkeit, Gewerbesteuer bei Unternehmen - und analog dazu Einkommensteuer bei Privatpersonen - zu senken, besteht nach deutschem Steuerrecht gemäß Paragraf 7g des Einkommensteuergesetzes über die Bildung eines sogenannten Investitionsabzugsbetrags, kurz IAB. Der IAB ist zwar zunächst einmal lediglich ein Instrument zur Steuergestaltung von kleineren und mittleren Unternehmen, er lässt sich aber durchaus auch von Privatpersonen nutzen.
Im Gesetzestext heißt es dazu wörtlich: "Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung (…) von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung (…) folgenden Wirtschaftsjahres (…) ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden, bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungskosten (…) gewinnmindernd abziehen."
Vereinfacht dargestellt, ermöglicht der Investitionsabzugsbetrag es also, dass bereits im laufenden Jahr 40 Prozent der Anschaffungskosten steuermindernd berücksichtigt werden, wenn die Investition in den kommenden ein bis drei Jahren getätigt wird. Mithilfe dieser Rechnungsgröße wird der Unternehmensgewinn gemindert und die Steuerlast im Jahr der Beantragung signifikant verringert.
Das Gesetz knüpft die Gewährung eines IAB allerdings an vier Bedingungen:
1. Die Betriebsgröße: Bilanzierende Betriebe dürfen maximal ein Betriebsvermögen von 23 000 Euro im Abzugsjahr aufweisen. Bei Unternehmen mit Einnahmenüberschussrechnung liegt die Gewinngrenze bei 100 000 Euro.
2. Die Nutzung: Sie muss "ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich" im Jahr der Anschaffung und im Folgejahr sein. In konkreten Zahlen ausgedrückt: Das Finanzamt verlangt einen Anteil von mindestens 90 Prozent.
3. Die Investitionsfrist: Die Anschaffung muss grundsätzlich innerhalb von drei Jahren nach dem Jahr des Abzugs erfolgen. Doch infolge von Corona wurde diese Frist um ein Jahr verlängert (Einzelheiten siehe Kasten links).
4. Das Objekt: Gegenstand der geplanten Investition muss ein abnutzbares, bewegliches Wirtschaftsgut sein.
Auch Solaranlagen sind IAB-begünstigt
Was muss man unter einem beweglichen Wirtschaftsgut verstehen? Im Gegensatz zu Immobilien handelt es sich um materielle Güter wie Maschinen, Fahrzeuge oder Betriebs- und Geschäftsausstattung, also Investitionsgüter, die nicht fest verbaut wurden.
Aufliegende Photovoltaikdachanlagen beispielsweise gelten ebenfalls als bewegliches Wirtschaftsgut, sodass auch für ihre Anschaffung ein Investitionsabzugsbetrag gebildet werden kann. Im Energiesektor sind zudem Investitionen in Windkraftanlagen denkbar.
Der Abzug der 40 Prozent erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Planungsjahr. Im Jahr der Anschaffung wird der Investitionsabzugsbetrag dann dem Gewinn zugeschlagen. Dabei wird gleichzeitig der Wert der Anlage unmittelbar um den IAB gemindert.
"Das heißt, das Investitionsgut steht mit einem um 40 Prozent reduzierten Wert in den Büchern. So verschiebt sich die Steuerlast auf einen späteren Zeitpunkt, das Unternehmen erhält zusätzliche Liquidität und kann einen Teil der Neuanschaffung bereits heute finanzieren", erklärt Steffen Röhm, Partner der Steuerberatung Zubrod Röhm Klein in Offenbach. "Diese Verschiebung ist aber auch dann vorteilhaft, wenn in den Folgejahren ein niedrigerer Steuersatz zu erwarten ist."
Auch Privatpersonen wie Erich Schreiber können dieses Modell nutzen (siehe Beispielrechnung Kasten unten). Er kann zum Unternehmer mit Einnahmenüberschussrechnung werden, dessen Gewinn unter 100 000 Euro läge (Bedingung 1).
Er steckt im Jahr der Auszahlung seiner Abfindung in der Planungsphase und zeigt gegenüber dem Finanzamt an, dass er innerhalb der nächsten drei Jahre eine Photovoltaikanlage ("bewegliches Wirtschaftsgut") erwerben will (Bedingungen 3 und 4). Der Solarstrom wird voll ins Netz eingespeist, sodass die ausschließlich betriebliche Nutzung gewährleistet ist (Bedingung 2).
Mit 80 000 Euro Investitionsvolumen kann Schreiber eine Solaranlage von rund 500 Quadratmetern, etwa auf dem gepachteten Dach einer Lagerhalle, erwerben. Die Stromproduktion der Anlage von durchschnittlich 72 000 Kilowattstunden (standortabhängig) reicht, um rund 20 Einfamilienhäuser ein Jahr mit Strom zu versorgen. Vor Kosten erzielt diese Anlage - inklusive abgezinster Vorabpacht für 30 Jahre - einen Ertrag von etwa sieben Prozent pro Jahr. Die Rendite nach Kosten für Versicherung, Betriebsführung und Rückstellungen beläuft sich auf rund drei Prozent jährlich. "Die Gewinnerzielungsabsicht ist entscheidend für die Anerkennung durch das Finanzamt", so Steuerexperte Röhm.
Neben dem IAB können bis zu insgesamt 20 Prozent Sonderabschreibung von den Anschaffungskosten vermindert um den IAB im Jahr der Anschaffung oder in den folgenden vier Jahren geltend gemacht werden. Wenn Schreiber die Anlage also 2021 anschafft, kann er auf die um den Investitionsabzugsbetrag geminderten Anschaffungskosten von 48 000 Euro noch einmal 20 Prozent abschreiben. Das reduziert den Gewinn und sein zu versteuerndes Einkommen um weitere 9600 Euro", erklärt Röhm.
Die gezahlte Mehrwertsteuer von in der Regel 19 Prozent (bis Jahresende nur 16 Prozent) kann auch als Vorsteuer bei der monatlichen Einnnahmenüberschussrechnung geltend gemacht werden.
Hoher Fremdfinanzierungsanteil
Tatsächlich bringen Anleger selten 100 Prozent des Investitionsvolumens als Eigenkapital auf. Gängige Praxis ist ein Eigenkapitalanteil von rund 20 Prozent. Diesen generieren Investoren elegant über die Steuerersparnis aus dem IAB.
Der verbleibende Anteil von rund 80 Prozent wird fremdfinanziert. Banken gewähren in der Regel Darlehen zwischen 75 und 85 Prozent des Investitionsvolumens. Erfahrungsgemäß lassen sich Photovoltaikanlagen sehr gut finanzieren, da die Einspeisevergütung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für 20 Jahre staatlich garantiert ist und zukünftige Erträge somit gut planbar sind. Diese Darlehen werden meist als Cashflow-basierte Projektfinanzierung vergeben. Das heißt, die Rückzahlung des aufgenommenen Kapitals erfolgt allein aus den zukünftig zu erwirtschaftenden Erträgen der Anlage. Die KfW vergibt Förderkredite für erneuerbare Energien (Programm Nr. 270), die auf Photovoltaikprojekte anwendbar sind.
Mögliche Steuerfallen umgehen
Die Finanzverwaltung achtet besonders auf die Erfüllung aller Voraussetzungen bei der Bildung von Investitionsabzugsbeträgen. "Wird auch nur eine der Bedingungen nicht erfüllt, beispielsweise in Bezug auf die Unternehmensgröße, die Nutzungsart, die Fristen oder die Investitionsabsicht, entfällt auch der Vorteil des Investitionsabzugsbetrages", erläutert Steuerberater Röhm. Konkret bedeute dies, dass der Abzugsbetrag rückwirkend dem Gewinn des Abzugsjahres zugeschlagen werde. Der Steuervorteil verpuffe dann. Eine Nachzahlung an das Finanzamt würde zusätzlich mit sechs Prozent pro Jahr verzinst.
Damit es kein böses Erwachen gibt, sollte man auch bei einem geplanten Investment in größere Anlagen, die teilbar sind, einige Punkte beachten: Der persönliche Anteil an einem Solarpark muss technisch, wirtschaftlich, organisatorisch und vertraglich von der Gesamtanlage getrennt sein. "Erst wenn eine eindeutig trennbare Einheit vorliegt, die ich im Fall der Fälle eigenständig verkaufen könnte, kann ich alle Vorteile des IAB nutzen und muss die Voraussetzungen nur als Einzelperson erfüllen", warnt Röhm. "In der Praxis sollte man in jedem Fall die Leistung einer Steuerberatung in Anspruch nehmen - ein grober Überblick zum IAB reicht hier für Interessierte nicht aus."
Der Investitionsabzugsbetrag bringt all jenen Investoren Vorteile, die im laufenden Jahr eine Einkommensspitze durch Abfindung, Sonderzahlung oder Boni und im Folgejahr durch Ruhestand, vorübergehende Arbeitslosigkeit oder durch Firmengründung ein geringeres Einkommen erwarten.
So senkt der IAB die Steuerlast
Für Privatpersonen ist die Gründung einer Firma in der Regel zu aufwendig. Sie können aber ein Gewerbe anmelden, eine Photovoltaikanlage erwerben und Solarstrom produzieren. Im Fall Erich Schreiber vermindert der Investitionsabzugsbetrag von 32 000 Euro (80 000 Euro x 40 Prozent) sein zu versteuerndes Einkommen für 2020 von 120 000 Euro auf 88 000 Euro. Daraus resultiert eine Steuerersparnis von 14 179,20 Euro. Der Abzug verringert den Steuersatz von 36,4 Prozent auf 33,6 Prozent. Bezogen auf das ursprünglich zu versteuernde Einkommen von 120 000 Euro beträgt die Steuerlast sogar nur 24,6 Prozent.
Fristverlängerung auf vier Jahre
In der Praxis gibt es Fälle, in denen 2017 in ernsthafter Absicht ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) gebildet wurde. Die Corona-Krise und die daraus folgende Liquiditätskrise machen es aber oft unmöglich, die geplante Investition bis zum Ende des dreijährigen Investitionszeitraums durchzuführen. Das zweite Corona-Steuerhilfegesetz schafft Erleichterung für alle, die bereits investiert haben: Hier endet die Investitionsfrist für Projekte, deren IAB nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2018 gebildet wurde, erst nach vier Jahren. Dadurch haben Steuerpflichtige die Gelegenheit, die Investition 2021 ohne negative Steuerfolgen nachzuholen.