Bei der Anzahl offener Kontrakte (Open Interest), die das allgemeine Interesse an Platin-Futures zum Ausdruck bringt, sind am Freitagabend 70.799 Kontrakte gemeldet worden, während bei Gold (403.575 Futures) und Silber (179.461 Kontrakte) deutlich höhere Werte zu Buche schlugen.
Hinsichtlich der aktuellen Marktstimmung gab es unter den großen Platinspekulanten in der Woche zum 28. April einen nachlassenden Optimismus zu beobachten. Deren Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) reduzierte sich innerhalb einer Woche von 27.379 auf 25.235 Kontrakte (-7,8 Prozent), während bei den Kleinspekulanten (Non-Reportables) im selben Zeitraum ein Zuwachs von 1.853 auf 2.219 Kontrakte (+19,8 Prozent) registriert worden war. Zur Erinnerung: Ende Januar, als der Platinpreis mit 1.270 Dollar deutlich höher notierte, war der Optimismus unter großen und kleinen Spekulanten um einiges ausgeprägter.
Damals war bei den Großspekulanten eine Netto-Long-Position von 34.843 Futures und bei den Kleinspekulanten ein Wert von 3.842 Kontrakten ausgewiesen worden. Die große Frage lautet nun: Werden die Terminmarktspekulanten noch skeptischer oder schöpfen sie demnächst wieder etwas Mut? Fundamentale und charttechnische Aspekte dürften dabei eine wichtige Rolle spielen.
Auf Seite 2: Möglicherweise am Boden angelangt
Ungemach droht unter charttechnischen Aspekten, falls die im Bereich von 1.090 Dollar verlaufende Unterstützung verletzt wird. Mitte März drehte das Edelmetall hier wieder leicht nach oben. Im Jahr 2009 erwies sich dieser Boden schon einmal als sehr solide. Nach zwei erfolgreichen Tests setzte Platin danach zu einer wahren Kursrally an. Doch vor sechs Jahren war die fundamentale Ausgangslage eine völlig andere. Damals schrammte die Welt nur knapp an einer Kernschmelze der Finanzsysteme vorbei und musste heftigste Konjunktureinbrüche verkraften.
Da die Autokonjunktur nach einem massiven Absturz zu einem beispiellosen Trendwechsel ansetzte, profitierte das zum Bau von Diesel-Katalysatoren wichtige Edelmetall davon in besonders hohem Maße. 2008 musste Platin in der Spitze Verluste von 65 Prozent hinnehmen. Daher war das Edelmetall regelrecht "ausgebombt" und verfügte somit aufgrund der extrem überverkauften Situation über enormes Nachholpotenzial. Heute sieht die Lage in der Autobranche weniger rosig aus. Die am Freitag veröffentlichten April-Verkäufe vom US-Automarkt konnten die Erwartungen der Analysten nicht erfüllen.
Mit insgesamt 16,5 Millionen Fahrzeugen und 13,2 Millionen im Inland produzierten Autos lag man 4,1 Prozent bzw. 3,7 Prozent unter dem Niveau des Vormonats. Seit drei Jahren geht es mit den Autoverkäufen in den USA bergauf. Sollte dieser Trend drehen, wäre dies für Platin zweifellos negativ, wenngleich auf der Angebotsseite in den vergangenen Jahren immer wieder massive Förderprobleme zutage traten. So sorgten im Land des weltgrößten Platinförderers Südafrika Minenstreiks und Energieprobleme immer wieder zu erheblichen Produktionsausfällen und dämpfte das Interesse an einem Ausbau der dortigen Kapazitäten. Bleibt ein massiver Rückgang der Weltkonjunktur aus, sollte der Platinpreis auf dem aktuellen Niveau das Schlimmste überstanden haben und zumindest reif für eine erfolgreiche Bodenbildung sein.
Zum Commitments of Traders-Report:
Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat.
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt.
Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.