BÖRSE ONLINE: Herr Dudenhöffer, wird BMW nach der jüngsten Razzia der Münchner Staatsanwaltschaft in der Konzernzentrale beim Thema Diesel seinen Vertrauensvorsprung bei Kunden - auch gegenüber Daimler einbüßen?
Ferdinand Dudenhöffer: Nach der "Verwechslung von Software" und den Razzien der Staatsanwaltschaft ist der Heiligenschein bei BMW weg. Umso verwunderlicher ist, dass man mit keinem besseren Argument, diese oberpeinliche Geschichte aufklärt. Ein bisschen von dem, was Schrempp beim Elch-Test bei Daimler vor gut 20 Jahren gezeigt hat, würde BMW gut stehen.
Wird BMWs Rücknahme-Garantie für Diesel-Fahrzeuge bei Leasing-Flotten Schule machen?
Flottenkunden haben zu 90 Prozent Leasingverträge, die das Restwert-Risiko entweder beim Autohändler oder der Leasinggesellschaft lassen, bei BMW vorzugsweise bei der konzerneigenen Leasinggesellschaft. Da ist Rücknahme-Garantie doch nicht mehr als "von der linken Tasche in die rechte Tasche". Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass Premiumhersteller wie BMW sich weigern mit Hardware-Nachrüstung ihre neuen Fahrzeuge umwelttauglich zu machen. Da zerschäppert man das Wichtigste, was ein Premium-Hersteller hat: die Werthaltigkeit und Wertbeständigkeit des Produkts.
Wird es mit der neuen Generation der Dieselmotoren - die laut BMW das Thema Stickoxid-Emissionen gelöst haben - den Bayern gelingen, ihre Technologie im Premiumsegment vor allem in Deutschland zu retten und damit auch ihren hohen Anteil Diesel-Autos in den Fahrzeugflotten?
Ich glaube da wenig daran. Tesla zeigt doch, dass man im Luxusklasse-Segment mit dem richtigen Elektroauto Furore machen kann. Was ist der Charme des Diesels nach Dieselgate für einen Premiumkunden? Wird er nicht eher milde belächelt, wenn er auf dem Golfplatz damit auftaucht? Bei einem Auto für 80.000 oder 120.000 Euro fängt man in der Zukunft doch nicht an, 500 oder 1.000 Euro Spritkosten pro Jahr sparen zu wollen. So schwäbisch sind höchstens Außendienstmitarbeiter, die einen Dienstwagen kriegen. Ich denke, Porsche und Volvo haben mit dem mittelfristigen Ausstieg aus der Diesel-Technologie die richtige Entscheidung getroffen.
Nach fünf Jahren in denen Daimler dank erfolgreicher Modelle auch an der Börse an BMW vorbeigezogen ist, ist dieser Vorsprung inzwischen geschrumpft, haben BMW-Aktie aufgeholt und entwickeln sich seit einem Jahr wieder besser als Daimler-Papiere, die eine signifikant höhere Dividendenrendite bieten. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Das glaube ich nicht. Das Momentum bei Daimler ist enorm. Und der neue Investor Li Shufu wird viel tun, damit Daimler langfristig im Geely-Volvo-Verbund eine sehr gute Rolle spielen wird. Meine Wette läuft klar auf Stuttgart. Die i3-Modelle sind nicht der ganz große Wurf, da wird Daimler mit der EQ-Reihe schon viel Emotion zeigen und schneller im Markt sein. Daimler baut zusätzlich sehr geschickt das Potential von AMG aus. Daimler hat ein breites Band an Mobilitätslösungen unter Movel gebündelt. Und Diesel… ? Na ja, wie gesagt, der Heiligenschein ist weg.
Um Investitionen in alternative Antriebe, autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen zu meistern, bauen Deutschlands Premiumanbieter BMW und Daimler derzeit ihre überdurchschnittlich profitablen SUV-Segmente aus. Wird das funktionieren?
Mein Eindruck ist, dass Mercedes deutlich stärker und innovativer in seinen Modellneuerungen ist. Und die Stuttgarter sind mutiger, wie etwa die X-Klasse zeigt. Zusätzlich baut Mercedes sehr intensiv das A-Klasse Portfolio aus. Und Mercedes hat eine äußerst erfolgreiche High Performance Sparte mit AMG. BMW ist auf diesem hoch margenreichen Segment etwas farblos geworden und hat zusätzlich viel Schwung in China verloren. So konnte etwa Mercedes 2017 in China 619.000 Fahrzeuge verkaufen, ein Plus von 27 Prozent Jaguar/Landrover hat seine China-Verkäufe um 23 und Volvo um 26 Prozent im letzten Jahr gesteigert. Da wirkt ein Plus von 15 Prozent bei BMW-Mini mit 595.000 Fahrzeugen überschaubar.
Mit mehr 103.000 verkauften elektrifizierten Autos für 2017 hat BMW als Europas Pionier bei Elektromobilität gut vorgelegt und mit dem i4 ein Konzeptauto für einen sportlichen Stromer vorgestellt, der in Deutschland gebaut werden soll. Daimler hat bisher lediglich Konzept-Autos und wird erst ab 2019 auch auf der Straße mit E-Autos starten. Reicht das um BMW bis 2025 einzuholen?
Ich denke ja. Das was man bei Daimler Mercedes-Benz-Tochter an EQ-Modellen und Konzepten sieht ist nach meiner Einschätzung emotionaler als die von BMW vorgestellten Elektromodelle für 2021. Mercedes, Audi, Porsche, Jaguar/Landrover scheinen da alle schneller zu sein als die Bayern und den SUV von morgen zu prägen. Von dem eigenen Thema Carbon scheint sich BMW Stück für Stück zu verabschieden. Im Nachhinein muss man sagen, dass BMW mit Carbon und dem i3 einen teuren Fehler gemacht hat. Man hat von außen den Eindruck, die Bayern sparen sich reich statt mit Innovationen, einem neuen Design und neuen Konzepten ausreichend viel in die Elektromobilität der Zukunft zu investieren.
Wie werden sich mögliche Strafzölle in den USA auf Daimler und BMW auswirken?
Im schlechtesten Fall ist BMW trotz sehr hoher US-Produktion der größte Verlierer. Unterstellt man, dass US-Präsident Donald Trump zusätzliche Zölle von zehn Prozent auf alle Fahrzeugimporte aus Europa schlägt und keine Verrechnung der, in USA-produzierten und exportierten Neuwagen- etwa BMWs SUV-Reihe mit den X-Modellen - zulässt, würde die BMW Group mit gut einer Milliarde Euro pro Jahr belastet werden. Bei Audi, Mercedes und Porsche wäre es um die 500.000 Euro jährlich und bei der Marke VW null. So kurios das klingt, BMW könnte trotz seines weltweit größten Produktionsstandorts in den USA zum größten Verlierer bei dem Spiel werden.
Wird der Brexit die Unternehmen unterschiedlich stark belasten? Sind die Produktionen des MINI und Rolls Royce in Großbritannien ein Vorteil für BMW?
Beim Brexit gewinnt BMW. Das Pfund ist mittlerweile 20 Prozent abgewertet, man wird also in Zukunft mit guten Kostenbedingungen in England arbeiten. Außerdem dürfte US-Präsident Donald Trump eher mit England eine zollfreie Zone machen als mit der EU. Also doppelter Gewinn für BMW
Ist die bei Daimler für 2019 avisierte Debatte über eine mögliche Abspaltung der Nutzfahrzeugsparte mit einem anschließenden Börsengang richtig und notwendig um sowohl der Auto-Sparte Mercedes Benz als auch den Nutzfahrzeugen mehr Spielraum für Investitionen zur verschaffen?
Konkurrent VW will seine Nutzfahrzeugsparte MAN plus Scania ebenfalls aufs Parkett bringen. Mal schauen, wie es die Stuttgarter machen, was Daimler-Großaktionär Li Shufu, Chef und Gründer des chinesischen Autobauers Geely zu dem auch Volvo Cars gehört dazu sagt. Über Aktien für Daimler Trucks wird auf jeden Fall zusätzliches Kapital in Daimlers Kasse fließen.