Im Oktober veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen globalen Finanzstabilitätsreport, eine gute Bestandsaufnahme des Weltfinanzsystems. Laut IWF haben sich die Finanzierungsbedingungen weiter verbessert, das heißt, Kapital steht billig und reichlich zur Verfügung. Die internationalen Kapitalflüsse sind weiter angeschwollen.

Besonders der Appetit auf riskante Kapitalanlagen ist laut IWF aktuell extrem hoch. Deutlich wird dies bei Junk Bonds, also Anleihen von riskanten Schuldnern. Sie notieren zum Teil bei zwei, drei, vier Prozent. Das ist lächerlich. Es gab Zeiten, da waren Junk Bonds unter zwölf oder 14 Prozent nicht zu platzieren. Schuld ist die ultralockere Geldpolitik rund um den Globus. Nur fünf Prozent aller Vermögensgegenstände und Wertpapiere der Welt mit Investment Grade haben noch einen Ertrag von über vier Prozent.

Die niedrigen Zinsen sind verführerisch. Nicht so sehr die Banken, vielmehr der private Sektor und Staaten machen immer neue Schulden. "Das Leverage in der Wirtschaft außerhalb des Finanzsektors ist in den G-20-Ländern nun höher als vor der Finanzkrise", so der IWF.

Während also aktuell die Märkte brummen, sieht der IWF mittelfristig deutliche Gefahren heraufziehen und mahnt die Politik eindrücklich, die Zeit zu nutzen, das System zu reformieren. Das wird nicht geschehen. Die nächste Krise wird kommen. Aber wie soll man bis dahin sein Geld anlegen?

Die meisten Investoren gehen ins Risiko. Börsengänge - wer hätte es gedacht - sind wieder "heiß". Hello Fresh läuft gut an. Aumann, Jost-Werke, Varta, Vapiano, Voltabox, Ibu-tec, Noratis und Naga: So heißen die zehn größten Emissionen 2017, einem Jahr, das bei Börsengängen wohl nicht das Wahnsinnsjahr 2000 übertrifft, aber doch das zweitbeste Jahr 1999. Neuemissionen sind Risikoinvestments. Die "Märkte" greifen nach jedem Strohhalm. Dazu passen auch die Kursexplosionen bei Bitcoins und anderen Kryptowährungen. Weil die Renditen "sicherer" Anlagen wie Immobilien und Anleihen gegen null tendieren, gehen die Anleger ins Risiko, um noch positive Erträge zu erwirtschaften.

Für besonnene Anleger bleiben momentan Aktien. Selbst der IWF stützt diese Einschätzung: "Während die Bewertungen einzelner Aktienmärkte schon etwas erhöht sind, scheinen Aktien als Anlageklasse im Vergleich zu sogenannten ,sicheren Investments‘ nicht überbewertet zu sein." Bleibt die Frage, welche Aktien jetzt noch kaufenswert sind.

In den vergangenen Jahren haben viele Anleger in "sichere" Aktien wie Nestlé, Henkel, L’Oréal oder Coca-Cola investiert und sind gut damit gefahren. Gerade diese Klassiker sind aber mittlerweile sportlich bewertet und haben ein Rückschlagspotenzial von 20 bis 30 Prozent. Viele Unternehmen, wie zum Beispiel Nestlé, wachsen kaum noch, sind aber wie Wachstumsunternehmen bewertet.

Wo bei insgesamt fair bewerteten Aktienmärkten einzelne Segmente überbewertet sind, müssen andere zwangsläufig unterbewertet sein. Dies ist zum Beispiel im US-Einzelhandel der Fall, wo viele Titel so bewertet sind, als würden in den nächsten Jahren alle Konsumenten komplett auf Onlinekauf umstellen - und diese Unternehmen kein eigenes Onlinegeschäft betreiben können. Aber auch bei Goldminenaktien oder britischen Titeln sehe ich ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis, weil schlechte Nachrichten und Ängste dominieren und nicht der Übermut und die Risikolust.

Max Otte: Der in Princeton promovierte Ökonom lehrte nach Tätigkeiten an den Hochschulen Worms, Boston und Würzburg ­zuletzt an der Universität Graz. Er ist ordentlicher Professor an der Hochschule Worms und als Vermögens- und Fondsberater tätig. Otte ist Mitbegründer des Instituts für Vermögensentwicklung und des Zentrums für Value Investing. Er schreibt an dieser Stelle jeden Monat über die aktuelle Börsenentwicklung und Leitlinien für erfolgreiches Anlegen.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des wöchentlichen Börsenbriefes DER PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer sowie Hauptgesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH.