Erneuerbare Energien: Der krisengeschüttelte Windparkbetreiber Prokon kann weitermachen, weil Gläubiger ihre Forderungen in eine neueUnternehmensform einbringen. Versorger EnBW zieht den Kürzeren. Von Martin Reim
Das Eigenkapital für die Prokon eG steuern gut 37 000 Inhaber von Genussrechten bei. Die Genossenschaftslösung bewertet Prokon mit 660 Millionen Euro. Die künftigen Genossen stehen für Insolvenzforderungen von 800 Millionen Euro. Sie verzichten auf eine Auszahlung der ihnen zustehenden Insolvenzquote in bar und bringen das Geld stattdessen in die Genossenschaft ein.
Der Beschluss ist das letzte Kapitel eines der größten Insolvenzverfahren Deutschlands. Die Gläubiger werden nach Kalkulation des Insolvenzverwalters Dietmar Penzlin unter dem Strich nur 57,8 Prozent ihrer Forderungen wiedersehen.
Die in Aussicht gestellte Insolvenzquote setzt sich so zusammen: Die meisten Genussrechts-inhaber können nun etwas mehr als 23 Prozent ihrer Genussrechtsforderungen in Mitgliedsrechte an der künftigen Prokon eG wandeln. Die Genossenschaft soll auch künftig das Windkraftgeschäft betreiben.
Anleger, die sich nicht an der Genossenschaft beteiligen wollen, erhalten stattdessen einen Anspruch auf Auszahlung künftiger Verwertungserlöse in Hö-he von 24,4 Prozent. Die Genossenschaftsanteile lassen sich mit einer Frist von drei Jahren kündigen.
Das Erwerbsrecht entspreche weiteren 34,5 Prozent der Genussrechtsforderungen, so der Insolvenzverwalter. Gläubiger, die dieses Erwerbsrecht nicht erhalten, sollen laut Insolvenzplan stattdessen eine Barauszahlung in Höhe von ebenfalls 34,5 Prozent bekommen. Darüber hinaus erhalten die meisten Genussrechtsinhaber das Recht, noch auszugebende Prokon-Anleihen mit einem Zinssatz von 3,5 Prozent zu erwerben. Diese Papiere sollen an der Börse handelbar sein und eine Laufzeit von 15 Jahren haben.
Daniel Bauer, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, sagt: "Wir raten den künftigen Mitgliedern der Genossenschaft, die kommende Anleihe zu zeichnen, um die Entscheidung über das Geld selbst in der Hand zu haben. Wer an den Papieren nicht langfristig interessiert ist, kann ja -einige Monate warten, um dann eventuell zu verkaufen." Die -Papiere seien möglicherweise auch für Außenstehende inte-ressant. "Aus unserer Sicht ist das Geschäft von Prokon solide. Es gibt eine Reihe existierender Windparks, die eine kontinuierliche jährliche Rendite von mehr als fünf Prozent liefern sollten." Die konkrete Entscheidung solle angesichts des Ausgabekurses der Anleihe getroffen werden, der erst festgelegt wird.
Die Pleite von Prokon im Jahr 2014 sorgte vor allem deshalb für viel Aufsehen, weil Tausende Privatanleger in Prokon investiert hatten - in der Hoffnung auf üppige Renditen. Der selbst ernannte Öko-Pionier Carsten Rodbertus gründete Prokon 1995. Er versprach den Anlegern hohe Renditen, unabhängig von Banken, wenn sie ihr Kapital für "sauberen Strom" anlegen.
Die Firma aus dem schleswig-holsteinischen Itzehoe, die Windparks plante und im Auftrag von Investoren betrieb, hatte sich mit diesem Versprechen durch den Verkauf von Genussrechten im Wert von 1,4 Milliarden Euro an rund 75 000 -private Anleger auf dem Grauen Kapitalmarkt fremdfinanziert. Die Anleger erwarben damit aber nur stimmrechtslose sowie nachrangige Forderungen.
Mit der Insolvenz von Prokon drohte ihnen der Totalverlust. Rodbertus ist als Geschäftsführer und Gesellschafter ausgeschieden. Ob er sich noch vor Gericht unter anderem wegen Insolvenzverschleppung verantworten muss, ist offen.
Eventuelle Schadenersatzforderungen von Privatanlegern wären vermutlich nicht aussichtsreich. Der Insolvenzverwalter hat im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung mit Rodbertus im Namen der Gläubiger darauf verzichtet. Da die Genussscheine nur direkt über Prokon Regenerative Energien bezogen wurden, haften auch keine Vermittler für den Schaden. Die Pleite von Prokon hatte den Anstoß zum sogenannten Kleinanlegerschutzgesetz gegeben, das diesen Monat in Kraft tritt.