ProSiebenSat.1-Chef geht nach Pannenserie - Nachfolge offen
· Börse Online RedaktionObwohl ProSiebenSat.1 nach eigenen Angaben noch keinen Nachfolger gefunden hat und sich sogar für eine Übergangszeit ohne dauerhaften Chef wappnet, reagierten Börsianer am Montag erfreut: Die Aktie war mit einem Plus von 4,7 Prozent größter Gewinner im Leitindex Dax. "Wir werten den Weggang Ebelings positiv", erklärten die Analysten von Independent Research. Zum Kursanstieg trugen auch Spekulationen auf einen Einstieg der US-Senderkette NBCUniversal bei. Die Analysten von Liberum äußerten die Einschätzung, die Comcast-Tochter könnte interessiert sein. Von den US-Unternehmen lag zunächst keine Stellungnahme vor.
Ein Nachfolger des heute 58-Jährigen Ebeling wird offenbar außerhalb des Konzerns gesucht. Für den Fall, dass ein neuer Chef nicht rechtzeitig bereitsteht, soll der langjährige Vorstand und Chefjurist Conrad Albert für eine Übergangszeit die Amtsgeschäfte übernehmen. Der Aufsichtsrat berief ihn daher zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, wie ProSiebenSat.1 am Sonntagabend zeitgleich mit Ebelings Abschied mitteilte. Albert gehört der Führungsriege seit 2011 an und ist damit nach Ebeling das dienstälteste Vorstandsmitglied. Der 50-Jährige verantwortet neben rechtlichen Angelegenheiten auch medienpolitische Themen sowie den Einkauf von Senderechten und den Vertrieb.
Ebeling, der ProSiebenSat.1 als ersten deutschen Medienkonzern im vergangenen Jahr in den Dax führte, konnte seine Erfolgssträhne zuletzt nicht fortsetzen. Die Affäre um flapsige Äußerungen über die Zuschauer der Senderkette aus ProSieben, Sat.1, Kabel 1 und mehreren Spartensendern waren dabei nur die Spitze des Eisbergs. Ebeling hatte für Aufsehen gesorgt, als er vor Analysten die Affinität der Zielgruppe zum klassischen Fernsehen mit den Worten erklärt hatte: "Es gibt Menschen, die ein bisschen fettleibig sind und ein bisschen arm, die immer noch gerne auf der Couch sitzen, sich zurücklehnen und wirklich gerne unterhalten werden."
Bereits im vergangenen Jahr überraschte Ebeling seine Anleger mit einer Kapitalerhöhung, woraufhin der Aktienkurs abstürzte. Anschließend verließen in kurzer Folge drei Vorstandsmitglieder und sein Pressesprecher den Konzern, der Vorstand wurde wiederholt umgebaut. Auf der Hauptversammlung missbilligten die Aktionäre per Abstimmung das Bonussystem des Vorstands, zudem musste Ebeling einräumen, er habe den Investoren seine Strategie nicht gut genug erklärt. Im laufenden Jahr schließlich kassierte Ebeling scheibchenweise seine Geschäftserwartungen und sorgte damit wiederholt für Enttäuschung an der Börse.
Ebeling, der einst aus der Pharmaindustrie zu ProSiebenSat.1 kam, hatte der Senderkette eigentlich einen märchenhaften Aufstieg beschert. Vom Allzeittief bei 88 Cent zu seinem Amtsantritt 2009 stieg der Aktienkurs unter dem studierten Psychologen zeitweise auf mehr als 50 Euro. Mit dem Verkauf ausländischer Sender und einer massiven Expansion im Internet trug Ebeling den Schuldenberg ab und beförderte den Konzern in die Gewinnzone. Das boomende Digitalgeschäft war der Retter - es machte ProSiebenSat.1 unabhängiger von der Fernsehwerbung. Weniger als die Hälfte der Einnahmen stammt heute aus diesem schwankungsanfälligen Geschäft. Die Verknüpfung der reichweitenstarken Sender mit der Online-Welt wurde zum Kassenschlager. Ebeling trieb auch die Produktion von TV-Inhalten voran.
An der Strategie soll sich auch unter dem neuen Chef nichts ändern. "Der Aufsichtsrat unterstützt ausdrücklich die Umsetzung der Drei-Säulen-Strategie", betonte Brandt. Für letztere sucht ProSieben finanzkräftige Partner. Für die Internet-Firmen wie das Vergleichsportal Verivox und das Dating-Portal Parship sind Insidern zufolge mindestens vier Angebote eingegangen, nach denen die Digital-Sparte deutlich mehr als 1,3 Milliarden Euro wert ist. ProSiebenSat.1 will sich aber nur von einem Minderheitsanteil trennen. "Hiermit richten wir die Konzernstruktur auf eine sich dynamisch entwickelnde Medienlandschaft aus", sagte Brandt. Er würdigte Ebeling als "eine der herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten der Medienindustrie".
rtr