Die Nation habe aber die bestmögliche Antwort auf die Terroristen gegeben. Tausende Türken waren in der Nacht dem Aufruf von Präsident Recep Tayyip Erdogan gefolgt und zeigten ihre Unterstützung für die Regierung. Am Samstag rief der Präsident erneut das Volk auf, für Demokratie und Frieden einzustehen.

Nach Regierungsangaben wurden 161 Menschen getötet und nahezu 1500 verletzt. Fast 3000 Armeeangehörige seien bislang festgenommen worden, sagte Yildirim. Am späten Freitagabend war in dem Nato-Land Chaos ausgebrochen, als eine Gruppe Militärangehöriger versucht hatte, die Macht an sich zu reißen.

Yildirim sprach von einer "Parallelstruktur" in den Streitkräften, aus der heraus der Putschversuch unternommen worden sei. Die Angehörigen dieser Gruppe seien mittlerweile in den Händen der Justiz. Sie erhielten die Strafe, die sie verdient hätten. Yildirim brachte die Todesstrafe ins Gespräch. Die sei zwar in der Verfassung nicht vorgesehen, man werde aber Gesetzesänderungen prüfen, um zu verhindern, dass sich ein Putschversuch wiederhole.

Auch Erdogan, der wie Yildirim der islamisch-konservativen AKP angehört und dem Kritiker eine zunehmend autoritäre Politik vorwerfen, drohte den Aufständischen Härte an. Er beschuldigte seinen in den USA lebenden Erzfeind Fethullah Gülen, hinter dem Putsch zu stecken. Gülens Bewegung bestritt jede Beteiligung. Den Aufständischen warf Erdogan "Hochverrat" vor, für den sie einen hohen Preis zahlen müssten. Erdogan kündigte eine "Säuberung" der Armee an: "Dieser Aufstand ist für uns eine Gabe Gottes, denn er liefert uns den Grund, unsere Armee zu säubern." Er hält Gülen schon seit langem vor, mit Hilfe von Gefolgsleuten in der Justiz und dem Militär die Regierung stürzen zu wollen.

KAMPFJETS UND HUBSCHRAUBER ÜBER ANKARA



Stundenlang war die Lage in der Türkei unübersichtlich, nachdem Teile des Militärs völlig überraschend ihren Putschversuch gestartet hatten. Sie ließen Kampfflugzeuge und Hubschrauber über der Hauptstadt Ankara kreisen. Dort harrten Abgeordnete während der Nacht im Parlament aus, das von Panzern aus beschossen wurde. In der Metropole Istanbul riegelten Aufständische zeitweise die Brücken über den Bosporus ab. Der Tankerverkehr durch die Meerenge wurde vorübergehend gestoppt. Die Flughäfen wurden zeitweise geschlossen. Unter anderem sagte die Lufthansa für Samstag fast alle Türkei-Verbindungen ab.

Putschende Armeekräfte übernahmen die Kontrolle über den staatlichen Fernsehsender TRT, über den eine landesweite Ausgangssperre und das Kriegsrecht ausgerufen wurden. Eine Ansagerin verlas auf Geheiß des Militärs eine Erklärung, in der der Regierung vorgeworfen wurde, die demokratische, säkulare Rechtsordnung zu untergraben. Das Land solle von einem "Friedensrat" geführt werden, der die Sicherheit der Bevölkerung gewährleiste. Kurz darauf stellte TRT den Sendebetrieb kurzzeitig ein.

RÜCKENDECKUNG FÜR ERDOGAN AUS ALLER WELT



Erdogan, der sich im Urlaub an der Küste befunden hatte, traf in der Nacht auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul ein, den die Verschwörer vergeblich unter ihre Kontrolle zu bringen versuchten. Bereits vor seiner Ankunft hatte er per Telefon im Fernsehsender CNN Türk an seine Landsleute appelliert, auf die Straßen zu gehen und die Regierung zu verteidigen. Am Samstagmittag rief er per SMS erneut die Bevölkerung auf, sich auf den Straßen einem "kleinen Kader" entgegenstellen.

Politiker aus aller Welt riefen zur Zurückhaltung auf. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte den Putschversuch und äußerte sich "zutiefst beunruhigt". EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, die Türkei sei ein Schlüsselpartner für die EU. "Die EU unterstützt voll und ganz die demokratisch gewählte Regierung, die Institutionen des Landes und die Herrschaft des Rechts." US-Präsident Barack Obama appellierte an alle Parteien, die demokratisch gewählte Regierung zu unterstützen. Die Türkei müsse so schnell wie möglich wieder den Weg der Stabilität und Ordnung einschlagen, sagte ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Erdogans Regierung gehört zu den Gegnern von Syriens Präsident Baschar al-Assad und ist einer der wichtigsten Verbündeten der US-geführten Koalition im Kampf gegen die IS-Miliz. Etwa zwei Millionen syrische Flüchtlinge halten sich in der Türkei auf.

Das türkische Militär hat in der Vergangenheit bereits mehrfach die Macht an sich gerissen, um die säkularen Grundlagen des Staates zu verteidigen. Erdogan wurde 2003 Ministerpräsident und ist seit 2014 Staatsoberhaupt der Türkei. Er strebt eine größere Machtfülle für das Präsidentenamt an.