Die Ereignisse der vergangenen Wochen könnten direkt aus dem BWL-Lehrbuch entnommen sein: Hochwertige Firma verzettelt sich mit neuen Tätigkeitsfeldern, verfehlt Prognosen, verliert den Vorstandschef, der Aktienkurs bricht ein. Kurz darauf liegen Übernahmeangebote auf dem Tisch.

Genau das ist Stand der Dinge beim Laborzubehör- und Diagnostikspezia­listen Qiagen. Analysten haben wenig Zweifel daran, dass das Unternehmen mit Hauptsitz in Hilden bei Düsseldorf bald verkauft wird - die Frage ist nur noch, an wen und zu welchem Preis.

Wie konnte es so weit kommen? Qiagens Reagenzien und Instrumente gelten weltweit in Forschungslabors als Goldstandard. Mit Diagnostiktests hatte sich der Konzern außerdem ein starkes Standbein bei klinischen Anwendungen aufgebaut. Aber Qiagen hat auch schon früher hier und da Erwartungen verfehlt. Durch die zahlreichen Übernahmen war bisweilen schwer nachzuvollziehen, wie das Unternehmen wirklich dasteht. Den großen Knall scheinen nun sinkende Umsätze in China und die Aufgabe der Entwicklung eigener neuartiger DNA-Sequenziergeräte ausgelöst zu haben. Dass Vorstandschef Peer Schatz nach 15 Jahren als CEO und 27 Jahren im Unternehmen seinen Hut nahm, zeigt, dass die Probleme ein erhebliches Ausmaß erreicht haben müssen.

Als einen der Kaufinteressenten will die Nachrichtenagentur Bloomberg den US-Konzern Thermo Fisher ausgemacht haben. Tatsächlich kommen viele Unternehmen aus der Life-Science-Branche infrage, etwa Siemens Healthineers, Merck oder Danaher. Mit Illumina hatte Qiagen gerade eine langfristige Kooperation zur DNA-Sequenzierung vereinbart, auch hier wäre ein Zusammenschluss theoretisch denkbar. Manche Analysten bringen auch Private-Equity- Firmen ins Spiel. "Strategisch halte ich Thermo Fisher für den passendsten Kandidaten", sagt Andreas Bischof, Manager des Nova Steady Healthcare Fonds. "Das Unternehmen würde mit Qiagen zu einer Art Amazon für Kunden aus dem Forschungsbereich, das alles aus einer Hand bietet." Es bleibt jedoch nicht ausgeschlossen, dass Wettbewerber genau das verhindern wollen.

Investor-Info

Qiagen
Noch Luft nach oben


Die Qiagen-Aktien befinden sich überwiegend in Streubesitz, abgesehen vom Preis gibt es also quasi keine unüberwindlichen Hindernisse für eine Übernahme. Analystenschätzungen für den möglichen Kaufpreis ­bewegen sich größtenteils zwischen 40 und 45 Euro pro Aktie. Der aktuelle Kurs liegt darunter, was ein Stück weit die offenen Fragen zu Zahl und Identität der Interessenten widerspiegelt. Wer die Aktie hält, sollte dabeibleiben - risikobereite Anleger steigen noch ein.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 44,00 Euro
Stoppkurs: 26,00 Euro