Endlich schaltet sich die Politik ein. Nach 18 Wochen Streik in den größten südafrikanischen Platinminen will der zuständige Minister Ngoako Ramatlhodi höchstpersönlich vermitteln. Zwischen den Arbeitern, die kräftige Lohnsteigerungen von teils 100 Prozent verlangen, und den großen Bergwerkbetreibern Anglo American Platinum, Impala Platinum und Lonmin, die nicht auf die Forderungen eingehen wollen. Die Hilfe kommt reichlich spät angesichts der Kosten und der Gewalt des längsten und teuersten Arbeitskampfs, den der südafrikanische Rohstoffsektor jemals gesehen hat.
Auf den Rohstoffmärkten hat der anhaltende Arbeitskampf längst für Nervosität gesorgt. Die Preise für Platin und auch Palladium, das als Nebenprodukt abgebaut wird, sind auf das höchste Niveau seit Monaten gestiegen. Angebotsrisiken, zur Neige gehende Lagerbestände und eine steigende Nachfrage dürften die Preise weiter treiben - auch dann, wenn die Streiks in Südafrika endlich beigelegt sein sollten.
Glaubt man Terence Goodlance, könnte das allerdings noch etwas dauern. Der Vorstandsvorsitzende des Minenbetreibers Impala Platinum ließ jedenfalls kürzlich in einem Interview durchblicken, dass er nicht von einer baldigen Einigung ausgehe. Zu sehr lägen Minenbetreiber und Arbeiter mit ihren Lohnvorstellungen auseinander.
Doch jeder Tag, an dem nicht gearbeitet wird, ist teuer. Die Arbeiter müssen weiter auf ihren Lohn verzichten, bei den Minenbetreibern liegen die Bergwerke nahezu brach. In den vergangenen drei Monaten ist die Platinproduktion um knapp die Hälfte gesunken. Rohstoffexperten rechnen damit, dass Südafrika aufs Jahr gerechnet eine Viertelmillion Feinunzen weniger ausführen wird als noch 2013. Bislang hat der Arbeitskampf die Unternehmen mehr als 1,2 Milliarden Euro gekostet.
Das treibt die Preise, vor allem weil Südafrika mit 70 Prozent der weltweiten Produktionsmenge der größte Förderer von Platin ist. Dabei ist der Anstieg der Notierungen des Rohstoffs bislang dank hoher Lagerbestände moderat ausgefallen: Seit Jahresbeginn hat sich das Edelmetall um sieben Prozent verteuert. Derzeit notiert der Rohstoff bei rund 1450 Dollar je Feinunze, dem höchsten Wert seit August vorigen Jahres.
Deutlich kräftiger fiel der Preisanstieg bei Palladium aus. Kostete eine Feinunze - das sind 31,1 Gramm - Anfang des Jahres 727 Dollar, liegt der Preis jetzt rund 100 Dollar höher. Ein Plus von 15 Prozent und das höchste Niveau seit Sommer 2011.
Zu dem drastischen Preisanstieg bei Palladium dürfte vor allem die Auflage zweier ETFs in Südafrika, die mit dem physischen Metall hinterlegt sind, beigetragen haben. Die Zuflüsse in die im März auf den Markt gebrachten Produkte belaufen sich mittlerweile auf mehr als 600 000 Unzen. Insbesondere südafrikanische Investoren haben Interesse an heimischen Anlageprodukten. Weltweit liegen die ETF-Bestände mittlerweile bei 2,9 Millionen Unzen. Das übersteigt die Jahresproduktion des weltgrößten Palladiumlieferanten Russland.
Die Bedeutung des Landes spielt vor dem Hintergrund der Ukraine- Krise ebenfalls eine Rolle bei der Preisrally der beiden Edelmetalle. Mehr als ein Drittel des weltweit geförderten Palladiums sowie ein Sechstel des Platins kommen aus Russland. Die vom Westen angedrohten Sanktionen unter anderem für den Rohstoffsektor könnten die Angebotslage weiter verschärfen.
Insgesamt machen die russische und südafrikanische Platin- und Palladiumförderung jeweils mehr als zwei Drittel der jährlichen Produktionsmenge aus. Johnson Matthey, der größte Verarbeiter von Platinmetallen, rechnet in seiner aktuellen Marktstudie nicht damit, dass sich die Lage in absehbarer Zeit entspannen wird. Im Gegenteil: Um 1,2 Millionen Unzen Platin wird den Prognosen zufolge die Nachfrage das Angebot dieses Jahr übersteigen. Bei Palladium wird ein Angebotsdefizit in Höhe von 1,6 Millionen Unzen erwartet.
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Gefragte Edelmetalle
Das Problem ist jedoch nicht allein das sinkende Angebot auf dem Weltmarkt. Vielmehr steigt die Nachfrage derart rasant, dass ein Angebotsdefizit wohl auch ohne Streiks und Sanktionsdrohungen bestünde. Vor allem in der Autoindustrie werden die beiden Edelmetalle benötigt, da sie ein wichtiger Bestandteil von Fahrzeugkatalysatoren sind. 40 Prozent des weltweit geförderten Platins finden dort Verwendung. Weil sich die Branche in den vergangenen Monaten insbesondere in Europa erholt hat und kräftig wächst, rechnet Johnson Matthey in diesem Jahr mit einer Nachfragesteigerung nach Platin von elf Prozent.
Auch in der Schmuckbranche werden die weiß glänzenden Edelmetalle immer beliebter. 35 Prozent der gesamten Platinproduktion werden zu Geschmeide verarbeitet. In Indien etwa, wo eigentlich Gold das Maß aller Dinge ist, wird verstärkt Schmuck aus Palladium und Platin nachgefragt - nicht zuletzt, weil der indische Staat seit vorigem Jahr hohe Steuern auf Goldimporte erhebt.
Ein sinkendes Angebot bei gleichzeitig steigender Nachfrage - die Ausgangslage für Investoren könnte besser kaum sein. Viele Experten gehen davon aus, dass auch bei einer Einigung der Streikparteien in Südafrika die Preise für Platin und Palladium vorerst nicht wieder sinken werden - schon allein deswegen nicht, weil zumindest von teilweisen Lohnerhöhungen für die Arbeiter auszugehen ist, die dann auf den Edelmetallpreis aufgeschlagen werden. Wie dringend eine zügige Einigung ist, zeigen die aktuellen Wirtschaftsdaten Südafrikas. Erstmals seit der Rezession 2009 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal wieder gesunken: aufs Jahr gerechnet um 0,6 Prozent. Vor allem der Streik ist für den kräftigen Dämpfer verantwortlich. Kein Wunder, dass der gerade erst ernannte Minenminister Ramatlhodi die Verhandlungen zwischen den Streikparteien zu seiner dringlichsten Aufgabe erklärt hat.
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