Die Chemieindustrie befindet sich im Aufschwung. Das Nachholpotenzial aufgrund der Corona-Lockdowns sowie steigende staatliche Investitionen landen in den Auftragsbüchern. Auch beim Dämmstoffhersteller Recticel. Und nicht nur deshalb ist die Aktie spannend.
Die belgische Firma gehört zu den führenden Herstellern von Polyurethan. Der Kunststoff wird etwa für die Herstellung von Haushaltsschwämmen oder bei Matratzen verwendet. Das Haupteinsatzgebiet ist allerdings im Bereich von Dichtungen und Isolationen, die vor allem im Bau verwendet werden. In diesem Bereich profitiert das Unternehmen von den verschärften Regularien für den Klimaschutz. Polyurethan bietet hier die beste Isolationsleistung. Weil die Nachfrage in diesem Segment hoch bleiben wird, hat sich Recticel durch die Akquisition von FoamPartner hier verstärkt und vom eher schwankenden Autogeschäft getrennt.
Die verbesserte Aufstellung und Fortschritte in der Corona-Bekämpfung führ- ten im ersten Halbjahr zu einer dynamischen Entwicklung. Der Umsatz stieg um knapp 60 Prozent, 40 Prozent des Zuwachses waren organisch. Das Betriebsergebnis hat sich fast verdreifacht, die Marge erreichte beinahe zweistelliges Niveau.
Zu niedriger Angebotspreis
Dank der Ausrichtung auf Isolation sollte die gute Geschäftsentwicklung anhalten können. Das gibt der Aktie von operativer Seite Unterstützung. Mit weiteren Zuwächsen bei Umsatz und Gewinn und dem möglichen Zusatzertrag aus dem Verkauf des Matratzengeschäfts kann die Aktie den Aufwärtstrend fortsetzen.
Besonders interessant: Unter dem Kurs liegt eine Absicherungslinie. Der österreichische Wettbewerber Greiner hat Recticels Großaktionär Bois Sauvage schon im Mai den Anteil von 27 Prozent am Kapital abgekauft und bei der belgischen Aufsichtsbehörde ein Übernahmegesuch eingereicht. Der kommunizierte Preis liegt bei 13,50 Euro. Die Behörde lässt sich Zeit, das Angebot zu genehmigen.
Das Management hat die Offerte als eindeutig zu niedrig zurückgewiesen. Das Argument: Die deutlich verbesserte Geschäftsentwicklung und die Anhebung der Prognose seien nicht berücksichtigt. Es ist möglich, dass die Behörden nicht zustimmen. Auf jeden Fall werden die Investoren keine Aktien zu dem Kurs verkaufen. Natürlich könnte Greiner das Gebot erhöhen. Dann müsste mehr als der aktuelle Kurs gezahlt werden. Die Österreicher könnten sich aber auch erst einmal mit der Rolle des Minderheitsaktionärs zufriedengeben. Dann hat die Aktie bei 13,50 Euro eine Unterstützung. Letztlich ist aber auch denkbar, dass dank steigender Gewinne ein höheres Konkurrenzangebot kommt.
Die Aktie hat auf Jahressicht rund 80 Prozent an Wert gewonnen. Damit wird die operative Dynamik aber noch nicht abgedeckt. Die Aktie, Hauptbörse Euronext, wird in Deutschland nur dünn gehandelt. Unbedingt streng limitieren. Unsere Empfehlung: Kaufen.