Austria wagt einen Tabubruch: Für die Abwicklung der maroden Skandalbank Hypo Alpe Adria will Österreich die Gläubiger von Nachranganleihen zur Kasse bitten, denen der Totalverlust droht. Es geht um Papiere über 890 Millionen Euro, für die - eigentlich - das Bundesland Kärnten haftet. Die staatliche Garantie soll per Gesetz ausgehebelt werden. "Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht", sagt Österreichs Finanzminister Michael Spindelegger: "Nicht der Steuerzahler allein soll derjenige sein, der die Rechnung für die Hypo bezahlt."
Dass ein zahlungsfähiges Land ein solches Garantieversprechen bricht, gab es in Europa noch nie. Entsprechend groß ist die Aufregung. So droht die Ratingagentur S & P, anderen österreichischen Banken schlechtere Ratings zu geben. Dass Nachranggläubiger bluten müssen, wenn der Staat einspringt, ist dagegen nicht neu - das kam während der Finanzkrise schon bei einigen Instituten vor. Als Grundlage dienten eilig verabschiedete Gesetze.
Diese werden künftig nicht mehr nötig sein: Ende 2013 einigten sich Europaparlament, EU-Kommission und Mitgliedsstaaten auf die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken, auf Englisch: Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), die bis 2016 in nationales Recht gegossen sein muss. Die Beteiligung von Nachranggläubigern, wenn eine Bank gerettet oder abgewickelt werden muss, wird damit selbstverständlich. De facto wären die Nachranggläubiger sogar bereits heute im Boot: Seit August 2013 ist das Voraussetzung für die Genehmigung von Staatshilfen durch die EU.
Ab 2016 geht es noch einen Schritt weiter: Dann müssen selbst Gläubiger von normalen, erstrangigen Anleihen damit rechnen, dass sie einspringen müssen, wenn Eigen- und Nachrangkapital aufgezehrt und die Verluste noch nicht gedeckt sind.
Zuletzt geht es sogar an die Kundeneinlagen; Kleinsparer bleiben wegen der gesetzlichen Sicherung, die bis 100 000 Euro schützt, außen vor. Nur Pfandbriefe, also mit Hypotheken oder öffentlichen Schulden besicherte Anleihen, bleiben in der Haftungskaskade unangetastet. Und das Ganze könnte auch schon vor 2016 zum Einsatz kommen: "Eine frühere Anwendung durch ein EUMitgliedsland kann nach erfolgter nationaler Umsetzung nicht ausgeschlossen werden", sagt Corinna Dröse, Analystin bei der DZ Bank.
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Lukrative Anleiheart
Derzeit werden Europas Banken von der EZB, die im November die Aufsicht über diese übernimmt, auf Herz und Nieren geprüft. Angesichts der damit verbundenen Unsicherheiten sollten Anleger genau prüfen, welcher Bank sie ihr Geld über Nachrangpapiere leihen wollen.
Grundsätzlich sind die Titel - trotz des seit der Finanzkrise größeren Verlustbeteiligungsrisikos - wegen ihrer hohen Kupons äußerst attraktiv (siehe Investor-Info). Auch wenn ihre Kurse bereits auf breiter Front gestiegen und die Renditen im Gegenzug gesunken sind, versprechen sie als eine von wenigen Bondarten noch ansehnliche Erträge, deutlich über denen von erstrangigen Papieren desselben Emittenten. Damit werden Anleger fürs größere Risiko entlohnt, das mit nachrangigen Titeln verbunden ist. Wie groß dieses ist, hängt davon ab, auf welcher Rangstufe die Bonds stehen.
Tier-1-Papiere, die gleich nach den Aktien kommen und zum Kernkapital zählen, können fast nicht mehr als Anleihe bezeichnet werden. Die Titel laufen meist unendlich, können aber nach einigen Jahren vom Emittenten gekündigt werden. Oft gibt es bis zum Call-Termin, also der Kündigung, einen fixen, danach einen variablen Zins. Wenn die Geschäfte schlecht laufen, können die Kuponzahlungen ausgesetzt werden - und müssen auch nicht unbedingt nachgeholt werden, wenn sich die Bank wieder erholt hat.
Die sogenannten Lower-Tier-2-Anleihen sind hingegen nahe an normalen Bankanleihen: Sie haben einen festen Rückzahlungstermin, die Laufzeit beträgt meist nicht mehr als zehn Jahre - und die Kuponzahlungen können, außer im Pleitefall, nicht ausgesetzt werden.
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Andere Spielregeln
Wegen der neuen Eigenkapitalregeln nach Basel III ändert sich allerdings gerade, wie Banken solche alten Nachrangpapiere aufs Eigenkapital anrechnen können. Abhängig von ihrer Ausgestaltung läuft die Übergangsfrist länger oder kürzer.
Entscheidend für Anleger: Die Nachrangtitel erfüllen für die Banken nach und nach nicht mehr den eigentlichen Zweck der Eigenkapitalbeschaffung - und für normales Fremdkapital sind die Zinsen zu hoch. Für die Geldhäuser steigt so der Anreiz, die Titel abzulösen.
Bis zur Finanzkrise war es ein unausgesprochenes Gesetz, dass die Banken ihre Papiere stets zum erstmöglichen Termin kündigen. Während der Finanzkrise haben einige Häuser, etwa die Deutsche Bank, den Call-Termin ungenutzt gelassen.
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Neue Stütze fürs Eigenkapital
Dauerhaft übel haben das die Investoren der Deutschen Bank offenbar nicht genommen: Sie hat vor wenigen Wochen als erstes Institut hierzulande einen CoCo-Bond emittiert und weit mehr Geld eingesammelt als geplant. Diese Pflichtwandelanleihen, auf Englisch: Contingent Convertibles (CoCo), werden automatisch zu Eigenkapital oder ihr Nennwert sinkt, wenn die Bank eine bestimmte Eigenkapitalquote unterschreitet.
Mit den neuartigen Papieren können Banken künftig ihr Eigenkapital dauerhaft stärken. Der Deutsche- Bank-Bond ist wegen der Stückelung von 100 000 Euro für Privatanleger kaum geeignet. Patrick Vogel, Leiter des europäischen Firmenanleiheteams beim Fondshaus Schroders, sieht die CoCos generell skeptisch: "Bei den Papieren handelt es sich nicht um Anleihen, sondern um Eigenkapitalinstrumente - deshalb passen sie nicht in einen Anleihefonds." Die Gläubigerrechte seien bei alten nachrangigen Titeln viel besser als bei CoCo-Papieren. So könnten die Emittenten bei CoCos die Kuponzahlung selbst dann streichen, wenn die Aktionäre noch eine Dividende erhalten. So lange es die alten Nachrangtitel gibt, sollten Anleger lieber zu diesen greifen.
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