Der bekannte deutsche Wirtschaftsprofessor kauft Aktien nach dem Prinzip Zufall. Warum er das schon jahrzehntelang macht, was er vom aktuellen Rentensystem hält - und warum wir alle bis 70 arbeiten sollten. Von Martin Reim und Felix Petruschke
Bernd Raffelhüschen, Rentenexperte und Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg, kauft Aktien ausschließlich nach dem Alphabet. Als Basis nehme er Unternehmen aus dem MSCI World oder DAX: erst A, dann B, dann C. Wenn er mit dem Alphabet durch sei, fange er einfach wieder von vorne an. Im Interview mit der Wirtschaftszeitung "Euro" (Ausgabe 18. Dezember), nennt Raffelhüschen den Grund für seine Methode: "Im Gegensatz zu Aktienexperten weiß ich, dass ich nichts weiß". Schon seit Studienzeiten vertraue er daher auf diese Zufallsmethode.
Das aktuelle Rentensystem kritisiert Raffelhüschen. Er sieht darin "eine krasse Umverteilung von Jung zu Alt". Spätestens ab dem Jahr 2030 würde ein viel zu großer Teil des Geldes an die Rentner gehen - auf Kosten der jüngeren Generation. Raffelhüschen schlägt daher eine andere Methode vor: Jeder Arbeitnehmer soll selbst entscheiden, wann er zwischen 60 und 70 Jahren in Rente geht. Aber für jeden Monat vor dem 70. Lebensjahr, soll automatisch ein Abschlag von 0,4 Prozent auf die Rente fällig werden. Somit bekäme jemand, der bereits mit 60 Jahren in Rente geht, nur die Hälfte seiner Rente ausgezahlt. Rücksicht auf unterschiedliche Berufsgruppen, wie zum Beispiel Handwerker, will er dabei nicht nehmen. Schließlich sei die körperliche Arbeit heute längst nicht mehr so hart wie in vergangenen Jahrzehnten.
Als Absicherung schlägt er eine Grundrente vor: Jede Rente soll auf etwa 800 Euro pro Monat aufgestockt werden. Um die "Zielgenauigkeit" zu gewährleisten schlägt er vor, die Bedürftigkeit anhand von Einkommen und Vermögen zu prüfen. Die Große Koalition will lediglich das Einkommen berücksichtigen.
Zu den aktuellen Diskussionen um aktienorientierte Vorschläge für die Altersvorsorge, wie die Deutschland- oder Extrarente, zeigt er sich skeptisch: "Wenn Politiker irgendwie eine Chance auf Geld bekommen, ist das so ähnlich, als wenn Sie einem Hund zwei Knochen hinschmeißen und sagen: Einer ist für morgen".