Mit 15 schrieb er seinen ersten Businessplan.
Die strengen Regeln an
seinem Internat im Süden Londons
frustrierten Richard Branson
so, dass er beschloss, dem spießigen
Geist der 60er-Jahre mit seinem Schülermagazin
"Student" den Kampf anzusagen.
Themen: Mode, Musik, Existenzialismus.
Branson war Herausgeber, Chefredakteur
und Anzeigenchef in Personalunion - und
er stand in Briefverkehr mit dem Premierminister,
den er bat, seine Zeitschrift zu unterstützen.
Er hatte Interviewzusagen von
Jean-Paul Sartre, John le Carré, Norman
Mailer und Mick Jagger. Coca-Cola und die
Lloyd’s Bank waren Anzeigenkunden.
Der Erfolg brachte ihn auf die Idee, "Student"
als nationales Magazin zu vertreiben.
Mit knapp 17 erklärte er seine Internatszeit
für beendet und begann in einem leer stehenden
Kirchengebäude in London zusammen
mit ein paar Freunden seine Karriere
als Unternehmer.
"Geschäft soll Spaß machen", befand der
Musikfan Branson und eröffnete 1968 einen
kleinen Plattenladen namens Virgin Records.
Er wollte mit einem Versandhandel
für Schallplatten die hohen Ladenpreise
unterbieten und dafür sein Magazin, das inzwischen
eine Auflage von 100 000 Exemplaren
hatte, als Werbeplattform nutzen.
Später eröffnete er als Einzelhändler die
Virgin Stores und gründete sein eigenes
Aufnahmestudio. Branson war jetzt 23.
Und bereit für die erste Million. Er schaffte
sie mithilfe eines jungen, verschüchtert
wirkenden Musikers: Mike Oldfield, der fast
unbekannte Bassist der Kevin Ayers Group,
stellte sich im November 1971 bei Branson
vor. "Die Aura ewiger Melancholie, die ihn
umgab, verlieh ihm etwas Geniales. Branson
glaubte an ihn, ganz intuitiv", schrieb
"Die Zeit". Neun Monate später erschien
das Album "Tubular Bells" und verkaufte
sich über fünf Millionen Mal. Nach Pink
Floyd und den Rolling Stones hatte die
Szene einen neuen Superstar - und Virgin
den ersten großen Hit.
Das Label nahm später Stars wie Sting,
Phil Collins, Peter Gabriel und die Sex Pistols
unter Vertrag. Der finanzielle Erfolg
war der Grundstein für Bransons sämtliche
weiteren unternehmerischen Tätigkeiten.
Aus dem Plattenladen wuchs im Laufe der
nächsten Jahrzehnte ein globales Reich:
Keine Branche war vor den roten Virgin-
Logos sicher. Am schwierigsten sei die
erste Unternehmensgründung gewesen,
erklärte Branson später. "Bei der zweiten
oder dritten Gründung lernt man, wie
wichtig es ist, Aufgaben an Menschen zu
delegieren, die das Alltagsgeschäft viel besser
im Griff haben."
Branson verdiente jetzt richtig viel Geld.
"Aus der Unternehmerkommune wurde
ein Unternehmen, und aus Hippies wurden
Manager, denen Branson das Tagesgeschäft
übergab, sobald er eine neue Geschäftsidee
ausgeheckt und angestoßen
hatte. Zur Führungskraft taugte er einfach
nicht", befand "Die Zeit".
1984 gründete er Virgin Atlantic, eine
Fluglinie, die mit niedrigen Ticketpreisen
warb und vor allem auf der Nordatlantikroute
flog. Es war eine Kampfansage an die
übermächtige British
Airways, den Quasi-Monopolisten
auf diesen profitablen
Strecken. Der Rebell ohne Schulabschluss
kämpfte nun eine jahrelange Schlammschlacht
gegen Lord King, den Chef von British Airways.
Der warf Branson Drogenkonsum
und Bordellexzesse vor, Branson konterte
mit Anklagen wegen krimineller Geschäftspraktiken.
Branson siegte schließlich und
kassierte eine Entschädigung von über
einer Million Pfund.
Kurzes Zwischenspiel an der Börse
1986 ging Virgin an die Börse. Anleger
rissen sich um die Aktien, die Firma wurde
jetzt mit 240 Millionen Pfund bewertet. Ein
Jahr später - die Aktienmärkte waren inzwischen
auf Talfahrt - entschloss sich
Branson, Virgin wieder zurückzukaufen.
Das Jahr an der Börse, meinte er, war "das
unkreativste, das Virgin je gehabt hat".
Seine Erfolgsgeheimnisse, die die meisten
Managerlehren auf den Kopf stellen,
vermarktete er in mehreren Bestsellern:
"Mach’s einfach, glaube daran, dass du
alles erreichen kannst, was du willst! Hab’
Spaß, geh’ positiv an die Dinge heran.
Wenn etwas keinen Spaß macht, mache
etwas anderes. Sei innovativ, das System
ist nicht heilig. Denke kreativ. Sei sexy -
egal was du machst, mach’ es aufregend!"
Nach 40 Jahren Selbstdarstellung ist
Branson inzwischen selbst zur Marke geworden.
Immer wieder setzte er sein Leben
für gefährliche Abenteuer aufs Spiel, entrann
elf Mal dem Tod nur knapp. Oder
machte Schlagzeilen mit spektakulären
Aktionen und Stunts zu Produkteinführungen.
Eigenwerbung ist der Kern seiner
Managementphilosophie.
Aber der britische Lieblingsunternehmer
ist nicht unumstritten. Sein langjähriger
Kritiker Tom Bower kam im Buch
"Branson. Der Mann hinter der Maske" zu
einem wenig schmeichelhaften Urteil. Er
beschreibt Branson als Blender, der es mit
der Wahrheit nicht so genau nehme und regelmäßig
zu viel verspreche. Viele Mythen,
die sich um ihn ranken, setze er selbst in
die Welt. Ihm gehörten nicht Hunderte Firmen,
so Bower. Er kontrolliere höchstens
vier mit einem Umsatz von sechs Milliarden
Pfund. An den meisten Unternehmen
mit dem Markennamen Virgin halte Richard
Branson nur einen kleinen Anteil oder verdiene lediglich
eine Lizenzgebühr. Eine Überprüfung
sei deshalb so schwierig, weil er seine Finanzen undurchsichtig gestalte.
Schneller und höher war schon immer
Bransons Motto. Jetzt will er den Weltraum
erobern. Sein Unternehmen Virgin Galactic
plant nicht nur, ab 2015 zahlende Touristen
an Bord eines Raumflugzeugs ins All
zu fliegen - Branson will auch - zehn Jahre
nach dem Ende der Concorde - den globalen
Passagiertransport mit einem neuen
Überschallflugzeug revolutionieren. Ein
Flug von London nach Sydney würde dann
gerade mal 150 Minuten dauern.
Über 500 Hobbyastronauten haben bis
heute bei Virgin Galactic das 200 000 Dollar
teure Ticket für den rund zweieinhalb
Stunden dauernden Sphärenflug gebucht.
Darunter auch Prominente wie Angelina
Jolie, Brad Pitt oder Leonardo DiCaprio.
Der erste Passagier wird freilich Branson
selbst sein. Er genießt sein Leben am Limit.
"Manchmal wache ich morgens auf und
glaube, dass ich den unglaublichsten
Traum geträumt habe - ich habe mein eigenes
Leben geträumt."
PEB