XRP, die Kryptowährung von Ripple, ist seit Jahren eine Enttäuschung. Ein Vergleich der prozentualen Entwicklung seit Anfang 2019 des Bitcoins zu Ethereum, Litecoin und XRP zeigt das deutlich (vgl. Chart unten). Während der Bitcoin in diesem Zeitraum 144% zugelegt hat, Ethereum immerhin 70% und Litecoin 50%, sieht es bei XRP mit einem Minus von 32% düster aus. Das ist um so erstaunlicher, als Ripple eigentlich ständig gute Meldungen über Kooperationen mit renommierten traditionellen Finanzunternehmen produziert.
Ein wesentlicher Hemmschuh sind die pre-geminten XRP. Von den geschaffenen 100 Milliarden Stück XRP wurden 80 Milliarden XRP an Ripple übertragen. An diesem Verfahren wird in der Kryptogemeinde seit Jahren teilweise heftige Kritik geübt. Denn dadurch ist XRP keine wirklich dezentralisierte Kryptowährung, sondern wird zentral vom Fintech-Startup Ripple verwaltet. Für eingefleischte Kryptofans ist das eigentlich ein No-Go. 2017 kündigte Ripple die Verwahrung von insgesamt 55 Milliarden XRP in 55 Treuhand-Konten zu je einer Milliarde XRP an. Über diese sog. Escrow-Wallets soll die andauernde Emission der XRP-Token kontrollierbar und berechenbar werden. Am ersten Tag eines jeden Monats (insgesamt sind das also seit Ankündigung 55 Monate) läuft jeweils ein Konto per festgelegtem Vertrag aus, jeden Monat kann Ripple also maximal eine Milliarde XRP verkaufen. Werden in einem Monat weniger als eine Milliarde XRP verkauft, wird der verbliebene Betrag dann auf ein Treuhandkonto am Ende der Escrow-Warteschlange übertragen (also auf Monat 56 usw. seit Beginn der Ankündigung). In der Vergangenheit belasteten auch immer wieder Vermutungen, dass Ripple mehr als die vereinbarte Menge an XRP verkauft. Die starke Inflationierung durch Ripple wird für die sehr schlechte XRP-Kursentwicklung verantwortlich gemacht. Dabei verunsichert insbesondere die mangelnde Transparenz über die Transaktionen und die dahinterstehende Strategie. Aktuell besitzt Ripple noch 55 Prozent aller XRP. Deswegen nimmt z.B. auch Morgan Creek Capital Management XRP nicht in seinen Kryptowährungsindex-Fonds auf. Der Digital Asset Index Fund soll Anlegern den direkten Zugang zu einem aus den zehn größten Kryptowährungen bestehenden Index ermöglichen. Wegen der Zentralisierung wird XRP - ähnlich wie Stellar - derzeit nicht in diesen Fonds aufgenommen. Dies könnte sich aber bei einer Verringerung der zentralen XRP-Konzentration ändern.
Auch im 1. Quartal schnitt XRP unter den 25 großen Kryptowährungen laut der Datenbank Messari am schlechtesten ab. Vergangene Woche sprang der XRP-Kurs, nach Bitcoin und Ethereum die drittgrößte Kryptwährung, plötzlich deutlich an. Grund waren Meldungen von Ripple, dass immer mehr Unternehmen die Ripple-Überweisungsplattform ODL (steht für On-Demand-Liquidity) nutzen. In seinem Quartalsbericht bestätigt Ripple eine Verdreifachung der Transaktionsvolumen von ODL. Der bekannteste ODL-Nutzer ist der Zahlungsdienst MoneyGram, an dem sich Ripple im November 2019 mit 50 Millionen Dollar beteiligt hat. Mit dem ODL-Überweisungssystem sind sehr kostengünstige und sekundenschnelle internationale Überweisungen möglich. Dabei wird XRP als Brückenwährung verwendet. Das hat durchaus disruptive Veränderungen im internationalen Zahlungsverkehr zur Folge. So werden Unternehmen bei Auslandsgeschäften nicht mehr mit Vorfinanzierungskosten belastet. Denn Usus ist dort meistens, dass Produkte oder Dienstleistungen aus dem Ausland im Voraus bezahlt werden müssen. Das damit verbundene Procedere ist umständlich. So müssen oft Konten im Land des Handelspartners in der jeweiligen Landeswährung unterhalten werden. Durch die Direktabwicklung über Ripples ODL-Kanal wird das überflüssig. Das ODL-System läuft bisher nur in Bezug auf die Währungspaare US-Dollar gegen mexikanische Peso, philippinische Peso und australische Dollar.
Für Krypto-Anleger stellt sich natürlich die Frage, inwieweit diese Entwicklungen Einfluss auf die Kursentwicklung von Ripples Kryptowährung XRP haben. Zwar zeigt sich zum einen ein klarer Use Case für XRP. Zum anderen dient XRP aber nur als Brückenwährung. Eine solche wird kurzfristig genutzt und dann nach Abschluss der Transaktion schnell - meist zum gleichen Preis - wieder verkauft. Von daher sind damit zunächst wenig Impulse für eine Wertsteigerung von XRP verbunden. Schafft es Ripple, XRP als Standard im internationalen Zahlungsverkehr zu etablieren, könnte sich aber deren Wert dann erhöhen. Es gibt eine Maximalzahl von 100 Milliarden Coins, von denen aktuell rund 44 Milliarden im Umlauf sind. Bei einem Massengebrauch könnten diese dann doch knapper und damit wertvoller werden.
Kürzlich hatte Ripple-Manager Asheesh Birla als Ziel genannt, Ripple als "Blockchain-Version von Amazon" zu etablieren. Das ist ein hochgestecktes Ziel, zumal auch andere Zahlungsdienstleister angreifen. So will das internationale Zahlungsnetzwerk Swift ein eigenes Sofortzahlungssystem entwickeln. Trotzdem könnte der XRP-Coin sich nun kurzfristig vom Under- zum Outperformer mausern. Zuletzt ist der Preis bis an die 200-Tagelinie herangerückt. Überspringt er diese, könnte es zu einem schnellen Kursschub kommen.