Die "German Angst" ist im angelsächsischen Sprachraum seit Langem ein geflügeltes Wort. Es umschreibt die als typisch deutsch empfundene Zögerlichkeit und Zurückhaltung, etwa in Sachen der Außen- und Sicherheitspolitik oder bei der Einführung neuer Techniken. Mittlerweile wird es aber immer häufiger auch im Zusammenhang mit der Geldanlage verwendet - und das nicht ganz zu Unrecht. "Wir beobachten seit Jahren, dass Deutschland zum Beispiel bei der Aktienquote anderen Industrieländern weit hinterherhinkt", sagt Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege Privat- und Firmenkunden. So besitzen zum Beispiel mehr als die Hälfte der rund 315 Millionen US-Amerikaner Aktien - in Deutschland dagegen nur jeder Vierzehnte. Ein Nachteil?



"Ja", sagt Stephan, "weil allzu große Furcht vor jeder Art von Risiko aktuell zu realen Wertverlusten führen kann." Grund dafür sind aktuell in erster Linie die niedrigen Zinsen: So bieten Bundesanleihen bis zu einer Laufzeit von 30 Jahren derzeit überhaupt keine positiven Realrenditen mehr - das heißt, nach Abzug von Inflation (für 2015 erwartet die Deutsche Bank in Deutschland eine Rate von 1,2 Prozent) und Abgeltungsteuer erleiden Anleger durch ihr Investment einen Kaufkraftverlust. Das betrifft im Übrigen auch Anlagen, die ein leicht höheres Risiko als Bundesanleihen aufweisen, etwa Pfandbriefe oder Unternehmensanleihen bester Bonität.

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Bedeutet das, Anleger müssen ihre Vorsicht jetzt über Bord schmeißen und Aktien kaufen? "So pauschal lässt sich das natürlich nicht sagen. Hier gilt es, ganz individuell zu handeln. Das Wichtigste ist, dass Anleger ihre Investments verstehen und sich mit ihnen wohl fühlen. Das beinhaltet letztlich aber auch die Aussicht auf positive Realrenditen. Und der einzige Weg, adäquate Renditen für sein Vermögen zu erzielen, ist, auf der Risikotreppe ein Stück nach oben zu gehen", sagt Stephan. "Das bedeutet: Auch konservative Anleger sollten sich überlegen, ob sie ihren Anlagehorizont erweitern - sei es regional oder in Bezug auf Anlageklassen."

Mögliche alternative Anlageklassen dafür wären zum Beispiel Immobilien, US-Anleihen, Schwellenländer-Anleihen oder eben Aktien. "Insbesondere Unternehmensbeteiligungen betrachten viele Deutsche aber nach wie vor mit Skepsis", sagt Stephan. "Ihnen erscheint diese Anlageklasse zu riskant. Für viele ausländische Kapitalmarktexperten ist das ein nur schwer nachvollziehbares Verhalten: Einerseits sind die Deutschen zu Recht stolz auf ihre starken Exportunternehmen, die hohe Gewinne erwirtschaften, andererseits überlassen sie es anderen, direkt von diesen Erfolgen zu profitieren." Die Folge ist, dass Deutsche zwar eine sehr hohe Sparquote aufweisen, beim Vermögenszuwachs von anderen Nationen jedoch überholt werden.

Was können Anleger konkret dagegen tun? "Entscheidend ist es, für sich das richtige Verhältnis aus Renditeerwartung und Risikotoleranz zu finden", sagt Stephan. "Im Rahmen eines breit diversifizierten Portfolios sollten deutsche Anleger daher meiner Ansicht nach auch Aktien einen angemessenen Platz einräumen - sei es als Einzelanlage, Fondslösung oder innerhalb eines aktiven Vermögensmanagements."

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Perspektiven 2015: Der Jahresausblick der Deutschen Bank