Herr Halver, wie beurteilen Sie die EZB-Entwicklung? Hat die EZB richtig gehandelt?
Ja. Die EZB hat im Vorfeld der EZB-Sitzung heute riesige Erwartungen geschürt. Mit der heutigen Zinssenkung und der Einführung negativer Einlagenzinsen will die Notenbank den Finanzmärkten klar sagen: Wir sind bei Euch. Die EZB ist ja noch lange nicht am Ende ihrer geldpolitischen Maßnahmen. Zwar gibt es bei heute auf 0,1 Prozent gesenkten Leitzins praktisch keinen Spielraum mehr. Aber die EZB kann noch an der Liquiditätsschraube drehen. Das dürfte auch nötig sein, denn viele Investoren liegen mit griechischen, spanischen oder portugiesischen Staatsanleihen deutlich im Plus. Währungsgewinne kommen nun noch obendrauf. Das könnte viele Investoren verleiten, Gewinne mitzunehmen und Kapital aus der Eurozone abzuziehen. Da wird die EZB nicht tatenlos zusehen.
Was kann die EZB tun, um das zu verhindern und Liquidität zu schaffen?
Die EZB versucht offenbar, die Kreditvergabe der Banken anzukurbeln. Das wird ihr aber aktuell kaum gelingen. Denn viele Banken sind bis zur Halskrause voll mit Risiken. Zudem müssen sich Kredite mit Eigenkapital unterlegen, das sie derzeit kaum noch haben. Ihre Bereitschaft, Kredite zu geben, wird sich also kaum verbessern.
Was könnte die EZB also tun?
Sie könnte beispielsweise Kredite von Banken aufkaufen. Und Sie könnte ihre Ankündigung vom vergangenen Jahr wahr machen und notfalls im großen Stil auch Staatsanleihen aufkaufen. Das wären sehr wirksame Maßnahmen.
Was bedeutet die Situation für die Aktienmärkte und Anleger?
Staatsanleihen sind unter den gegenwärtigen Umständen so attraktiv wie Bauschmerzen. Bei Aktien ist die Situation anders: Hier gibt es die Rückendeckung der EZB. Investoren haben die Botschaft verstanden und den Dax heute über 10.000 Punkte getrieben. Wer sich auf diesem Niveau nicht wohl fühlt, aber dennoch in Aktien investieren will, für den sind Aktiensparpläne die erste Wahl.