Herr halver, in Griechenland hat das Linksbündnis Syriza die Wahlen gestern überraschend klar gewonnen. Kommt die Eurokrise jetzt mit Wucht zurück?
Nein. Man weiß, dass die Griechen nicht austreten werden, weil sie nicht austreten können. Das wäre nicht nur für die Griechen negativ, sondern auch für die Eurozone, denn das wäre der erste Stein, der den Euro insgesamt ins Wanken bringen würde. Und es wäre auch nicht gut für Berlin. Wir haben in Deutschland ab 2010 alles dafür getan, die Griechen zu retten. Jetzt wäre ein Scheitern viel teurer als damals. Und wir haben ja auch fast alle Maastricht-Stabilitätskriterien deswegen geopfert. Das würde der Bundesregierung nicht zum Vorteil gereichen. Klar ist daher: Wir werden den Griechen erneut entgegen kommen müssen. Es wird dabei nicht um einen offiziellen Schuldenschnitt gehen, weil das Begehrlichkeiten auch in anderen Ländern wie Spanien und vor allem Italien wecken würde. Aber die Troika wird sicher darüber nachdenken müssen, bestehende Verbindlichkeiten zu strecken. Das nennt man einen verdeckten Schuldenschnitt. Damit ist spätestens jetzt auch klar: Die europäische Stabilitätsunion wird zu Grabe getragen. An seine Stelle tritt nun die europäische Schuldenunion in voller Pracht.
Angesichts dieses Szenarios dürfte sich die politische Lage in den nächsten Wochen und Monaten also wieder erheblich zuspitzen?
Das sehe ich so nicht. Das Motto der Troika wird sein: Was nicht passt, wird passend gemacht. Es wird alles dem obersten Primat untergeordnet und das lautet: Die Eurozone zu erhalten, koste es, was es wolle. Natürlich wird es harte Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika aus IWF, EU-Kommission und EZB geben. Aber das gehört zur Dramaturgie. Am Ende wird man um Erleichterungen für die Griechen kaum herumkommen. Die Eurozone will Nachahmereffekte bei den nächsten Parlamentswahl in Euro-Länder begrenzen.
Und die Talfahrt des Euro gegenüber dem Dollar wird weitergehen?
Bis 2016 dürfte der Euro die Parität zum Dollar erreichen. Dann dürfte ein Euro also noch einen Dollar wert sein. Aber Auslöser ist weniger die Entwicklung in Griechenland, als die Liquiditätsschwemme der EZB, der gegenüber die Sintflut ein leichter Sommerregen ist.
Auf Seite 2: Dax
Der Dax ist in den vergangenen Tagen von einem Hoch zum nächsten geeilt. Heute morgen ist der Markt zunächst im Minus gestartet und hat dann ins Plus gedreht. Geht die Rallye jetzt also jetzt erst mal weiter?
Der Dax ist der große Nutznießer der Krisengewinner. Die deutschen Unternehmen und die deutschen Rentenmärkte sind eine Art Stabilitätsanker in der Eurozone. Die Entwicklung führt dazu, dass Deutschland seine Schuldenlast über geringe Staatsanleiherenditen erheblich verringern kann. Pro Monat spart der Bund derzeit 20 Milliarden Euro Zinszahlungen. Außerdem verbessert die Euroschwäche unsere Exportchancen. Von daher bleiben die Aktienmärkte sicher weiter in Rallyelaune.
Aber es wird volatiler an den Börsen?
Ja, es wird immer mal wieder deutliche Rücksetzer geben und zwar stärkere als zuletzt. Während der Verhandlungen mit Griechenland sind die Aktienmärkte zwischenzeitlich schwankungsanfällig. Aber die Richtung weist insgesamt nach oben.
Auf Seite 3: Goldpreis
Was bedeutet das für den Goldpreis?
Der Goldpreis wird langfristig weiter zulegen, aber er profitiert dabei eher von der Entwicklung beim Dollar. Für Anleger wird Gold weiter eine wichtige Depotbeimischung bleiben. Denn die Stabilität in der Eurozone ist eine ausgestorbene Spezies.