Deposit Solutions macht dem Ruf eines vielversprechenden Start-ups alle Ehre. Geniale Technologie, ein Billionenmarkt und starkes Wachstum. Die Plattform ermöglicht es, Fest- und Tagesgeldangebote verschiedener Anbieter zu nutzen, ohne ein neues Konto zu eröffnen. Das hob den Firmenwert bei der jüngsten Finanzierungsrunde von 20 auf 110 Millionen Euro. Ein Plus von 550 Prozent in weniger als einem Jahr.

Noch besser erging es der German Start-ups Group (GSG) mit ihrer Beteiligung an Delivery Hero. Die Berliner investierten in den Essenslieferdienst, als dieser 116 Millionen Euro wert war. Heute wird er mit über 2,7 Milliarden Euro bewertet. In dem schnellen Wachstum liegt eine Ursache, warum Start-ups seit Jahren boomen. Weltweit flossen laut dem Branchendienst CB Insight 2015 rund 131 Milliarden Dollar in die Finanzierung neuer Geschäftsideen.

Denn Start-ups sind oft innovativ, schnell und können ganze Branchen umkrempeln. Die Hoffnung der Investoren, an der Entstehung der nächsten Facebook, Amazon oder Google teilzuhaben, öffnet deren Taschen. Sie setzen auf Einhörner - so werden Start-ups bezeichnet, die bereits vorbörslich eine Milliarde Dollar und mehr wert sind. Dem Namen nach eigentlich selten, ist ihre Zahl von 2014 bis heute von 45 auf 156 gestiegen.

Keine Milliarden von der Börse



Doch treffen Start-ups auf die Börse, bekommt die Märchenwelt Risse. So hat sich der Kurs des Start-up-Konglomerats Rocket Internet seit dem Börsengang mehr als halbiert: von 42,50 Euro auf 20 Euro. An den US-Börsen sackten, von einigen Ausnahmen abgesehen, die Kurse der seit 2015 auf das Parkett gekommenen Technologiefirmen meist deutlich ab. Für die börsennotierten Start-up-Finanzierer GSG oder auch Auden ist daher klar, dass der größte Teil der Wertschöpfung heute vor dem Gang auf das Parkett entsteht. Was passiert, wenn die vorbörslichen Bewertungen der Beteiligungen fallen, zeigt anschaulich der Kursverlauf von Rocket Internet. Ihre in der Global Fashion Group (GFG) gebündelten Onlinemodeshops sind statt 2,8 nur noch eine Milliarde Euro wert. Der Preis des Internetmöbelhauses Home24 fiel von 1,1 Milliarden auf 475 Millionen Dollar.



Die herben Abschläge kamen durch Finanzierungsrunden zustande. Für ihr Wachstum brauchen die jungen Unternehmen regelmäßig Geld. Mit diesen Mitteln werden Expansion und Verluste finanziert. Idealerweise stufen Geldgeber die Perspektiven des Start-ups bei jeder neuen Finanzierung besser ein und zahlen für ihre Firmenanteile mehr als der Investor zuvor. Die Abwertungen zeigen daher, dass die Zukunft von GFG und Home24 kritischer gesehen wird als früher.

Aber Rocket Internet hat nicht nur zwei, sondern 500 Beteiligungen. Auf dem aktuellen Niveau wird der Börsenwert nahezu komplett von den Anteilen an den Essenslieferdiensten Hello Fresh und Delivery Hero, vom Onlinemarktplatz Lazada sowie vom eine Milliarde Euro dicken Cashpolster getragen.



Profit als neue Priorität



Dass es zu Abwertungen bei den Berlinern kam, liegt auch an einem Stimmungswandel. "Den Investoren ist Profitabilität wichtiger geworden", beobachtet Eric Leupold, der bei der Deutschen Börse ein Finanzierungsnetzwerk für Start-ups aufbaut. Bisher lautet die gängige Logik zur Entwicklung von Jungunternehmen: schnell wachsen, Markt dominieren, Masse aufbauen. Erst danach soll ein profitables Geschäft dank sinkender Expansions- und Marketingkosten entstehen. An dieses Versprechen glauben Investoren jedoch immer weniger. Leidvoll erfahren musste das auch Windeln.de. Die Aktie des Start-ups für den Versand von Babyartikeln kam für 18 Euro an die Börse, heute steht der Kurs unter vier Euro.

Die neue Skepsis ist besonders in Amerikas Technologiemekka, im Silicon Valley, spürbar. "Es ist Winter im Valley. Angesichts der Milliardenbewertungen, die einige Start-ups mittlerweile haben, scheuen Investoren aktuell den Lackmustest Börse", sagt der auf Start-ups fokussierte Berater Peter Lennartz. Tatsächlich wagten im ersten Halbjahr 2016 nur 16 Start-ups den Gang auf das Parkett. Im Vorjahr waren es noch 48 gewesen.

Visionen als Bewertungsmaßstab



Dass neue, unerprobte Geschäftsmodelle dennoch mitunter Milliarden wert sein können, hat auch mit der Sichtweise der Investoren zu tun. Risikokapitalgeber bewerten das Potenzial, das eine Geschäftsidee entfalten könnte. Anders als an der Börse richtet sich ihr Blick aber nicht auf die kommenden zwölf Monate, sondern auf bis zu zehn Jahre nach vorn.

Bei Start-ups, die viel Interesse wecken, kann unter den Schlange stehenden Geldgebern zusätzlich eine Art Wettbieten nach unten stattfinden. Wer für zehn Millionen Euro nur ein Prozent statt zehn Prozent der Firma will, bekommt den Zuschlag. Denn werden für ein Prozent zehn Millionen gezahlt, sind für die gesamte Firma eine Milliarde statt nur 100 Millionen Euro fällig.

Gleichzeitig lassen sich junge Firmen gerade in frühen Entwicklungsphasen kaum nach objektiven Maßstäben bewerten. In der Branche heißt es daher, das Wichtigste bei einem Start-up sei ein fähiges Gründerteam, das die versprochene Vision umsetzen kann. Menschen richtig einzuschätzen kann allerdings noch schwerer sein, als Unternehmen zu bewerten. Wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist, lässt sich an der Erfolgsquote der Finanziers ablesen. Der Venture-Capital-Investor Horsley Bridge hat 7000 Deals von 1985 bis 2014 ausgewertet und entdeckt, dass 60 Prozent der Rendite mit nur sechs Prozent der Beteiligungen erzielt werden.

"Start-ups, in die wir investieren, müssen das Potenzial haben, zu einem Milliardenunternehmen zu werden. Als Venture-Capital-Investor brauchen Sie dieses Potenzial auch, weil fast die Hälfte Ihrer Investments es nicht schafft. Trotz solcher Verluste mit Ihren Fonds dann noch einen Gewinn zu machen, geht nur, wenn Sie einige richtige Gewinner im Portfolio haben", erklärt Christoph Miele von E.ventures. Der Risikokapitalgeber finanziert Start-ups weltweit mit 1,2 Milliarden Dollar.

Die Streuung der Investments ist daher für alle Start-up-Finanzierer wichtig. Die German Startups Group ist mit 47 Beteiligungen breit aufgestellt, bei den Berlinern überschreitet ein Investment selten mehr als fünf Prozent. Der GSG fällt es im aktuellen Umfeld schwer, Eigenkapital einzusammeln. Weil eine Kapitalerhöhung den Aktienkurs zu sehr drücken würde, wird aktuell mit einem Kredit privater Geldgeber über acht Millionen Euro investiert.

Da hat es die Auden AG besser. Der Finanzierer ist Anfang 2016 aus der früheren Kilian Kerner hervorgegangen und bereitet derzeit eine Kapitalerhöhung vor, die angeblich mit sieben Euro je Aktie deutlich über dem aktuellen Kurs liegen soll. Bisher hat die Firma erst drei Beteiligungen. Darunter ist mit Optiopay ein wirklich vielversprechendes Start-up, doch der Börsenwert nimmt eine sehr gute Entwicklung des Vermarkters von Zahlungsströmen bereits mehr als vorweg.

Mit den bis zu 15,5 Millionen Euro aus der Kapitalmaßnahme will Auden weiter investieren und insgesamt zehn Beteiligungen erwerben. Grund der limitierten Zahl: Die Berliner wollen größere Firmenanteile kaufen, damit die Wertentwicklung der Start-ups auf den Kurs durchschlägt. Die bis zu einem Exit, also bis zum Verkauf der Beteiligung, nur auf dem Papier existenten Bewertungsgewinne von Start-ups sollen so sofort kapitalisiert werden. Das klingt clever, erscheint jedoch wegen der Abhängigkeit von der Börsenstimmung sowie der geringen Liquidität der Aktie riskant. Außerdem wird auch Auden immer wieder Geld von seinen Aktionären brauchen, sollen kommende Finanzierungsrunden die eigenen Start-up-Anteile nicht verwässern.

Etwas weiter ist da die Finlab AG. Der ehemalige Finanzdienstleister konzen-triert sich auf Start-ups aus der Finanzbranche. An ihren vier Start-ups halten die Frankfurter jeweils über zehn Prozent und mit fünf Millionen Euro liegt noch Geld für Neuinvestments in der Kasse. Mit Deposit Solutions haben sie zudem ein potenzielles Einhorn im Portfolio. Auch die Geldquellen scheinen breit gestreut. Neben einer Kapitalerhöhung wird auch geprüft, einen Beteiligungsfonds aufzusetzen oder Anteile an der Beteiligungsgesellschaft Heliad zu verkaufen. Anders als Deposit Solutions sind die börsennotierten Start-up-Finanzierer damit keine Musterbeispiele. Für das hohe Risiko eines Investments lockt allerdings die Chance, dass eine der Firmen tatsächlich die nächste Facebook mitfinanziert.