Einmal pro Woche erfahren die Marktakteure, wie sich die aktuellen Long- und Short-Positionen von kommerziellen Branchenangehörigen (Commercials), Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - also deren Marktmeinungen - auf Wochensicht entwickelt haben. In den vergangenen sieben Wochen wies der CoT- Report (siehe nächste Seite) bei WTI-Futures unter den spekulativen Marktakteuren eine deutlich gestiegene Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) aus, nachdem er mit Blick auf die großen und kleinen Spekulanten noch vor einer Woche den stärksten Optimismus seit neun Monaten markiert hatte. Mittlerweile liegt die kumulierte Netto-Long-Position sämtlicher Spekulanten bei 322.106 Futures. Zur Erinnerung: Am 24. März lag dieser Wert mit 201.705 Kontrakten weit unter diesem Niveau. Bei Großspekulanten (Non-Commercials) war während dieses Zeitraums sogar ein Anstieg der Netto-Long-Position von 206.887 auf 320.212 Kontrakte (+54,8 Prozent) registriert worden. Dieser gestiegene Optimismus war vor allem auf die massive Reduktion der Short-Futures zurückzuführen. Diese wurden nämlich innerhalb von sieben Wochen von 306.699 auf 192.231 Futures (-37,3 Prozent) reduziert. Unter den Kleinspekulanten (Non-Reportables) gab es seit März nicht ganz so heftige Verwerfungen zu beobachten. Hier wandelte sich aber immerhin eine Netto-Short-Position (pessimistische Markterwartung) von minus 5.182 Futures in eine Netto-Long-Position von aktuell 1.894 Kontrakte. Ende Juni 2014, also vor dem großen Ölpreiseinbruch, war allerdings sowohl bei Großspekulanten (plus 458.969 Futures) als auch bei Kleinspekulanten (plus 33.611 Kontrakte) ein erheblich ausgeprägterer Optimismus registriert worden. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass in solchen Extremphasen nicht selten signifikante Trendwechsel bzw. Stimmungsverschlechterungen entstehen können. Vor sieben Wochen wurde diesbezüglich möglicherweise nach unten übertrieben.¬
Auf Seite 2: Divergierende Analysteneinschätzungen
An den Ölmärkten herrscht derzeit ein hohes Maß an Uneinigkeit und Unsicherheit. Letztere kommt besonders deutlich durch die markant gestiegene Volatilität zum Ausdruck. Im Zuge des seit Ende Juni eingetretenen Ölpreissturzes haben sich die beiden weltweit wichtigsten Ölsorten Brent und WTI in der Spitze mehr als halbiert, wenngleich die Jahrestiefs mittlerweile wieder um 22,5 Prozent (Brent) bzw. 30,5 Prozent (WTI) übertroffen wurden. Während dieses Zeitraums hat sich deren 100-Tage-Volatilität allerdings auf über 42 bzw. 46 Prozent vervielfacht. Außerdem befindet sich die Terminkurve beider Ölsorten in einer extremen Contangophase. Das heißt: Öl-Futures mit längerer Laufzeit sind deutlich teurer als der nächstfällige Kontrakt. Derzeit ergibt sich bei 12 Monaten Laufzeitunterschied eine Preisdifferenz von 6,0 Prozent (Brent) bzw. 6,2 Prozent (WTI). Dies erschwert Investoren mit längerem Anlagehorizont Investments in Öl ungemein, da Contangophasen für Anleger vor allem eines bedeutet: Rollverluste.
Die von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten WTI-Preisprognosen für 2015 reichen derzeit von 47,00 Dollar bis 77,30 Dollar und ergeben im Durchschnitt aktuell einen Wert von 57,34 Dollar. Das pessimistischste Kursziel stammt von der Citigroup, während die Analysten der National Australia Bank derzeit am optimistischsten gestimmt sind. Noch ungewisser sehen die Perspektiven für 2016 aus: Hier reichen die Kursziele von 54,00 Dollar (Business Monitor International) bis 110,00 Dollar (Incrementum AG) und ergeben einen Mittelwert von 70,25 Dollar.
Zum Commitments of Traders-Report:
Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.