Gemischte Gefühle hinsichtlich der globalen wirtschaftlichen Aussichten halten die Preise vieler Rohstoffe in Schach. Während Edelmetalle auf Monatssicht leicht zulegten, gab Rohöl mit rund 20 Prozent deutlich nach. Der breit gefasste Bloomberg Commodity Index verlor von gut 87 auf 82 Punkte und büßte damit etwa 5 Prozent seines Wertes ein.
Nach Auffassung von Heinrich Peters ist der Aufstieg aus dem Tal für so manchen Rohstoff mühsamer als im ersten Halbjahr erhofft. Der Helaba-Analyst rechnet für die Anlageklasse zunächst kaum mit zusätzlichem Rückenwind durch einen leichteren US-Dollar. "Die Einkommensperspektiven bleiben vermutlich überwiegend verhalten, die Nachfrage rohstoffintensiver Güter begrenzt." Gleichzeitig könne es für Irritationen der Märkte sorgen, wenn die Geldpolitik international wieder weniger abgestimmt würde.
Anleger vertrauen auf Gold
Im Handel mit Exchange Traded Commodities berichtet Frank Mohr von großem Interesse an Rohstoffen insgesamt und Goldprodukten im Besonderen. "Mit einem Anteil von 5 Prozent des gesamten ETP-Umsatzes liegen Rohstoff-Werte im Juli deutlich über dem sonstigen Niveau zwischen 1 und 2 Prozent", meldet der Händler der Commerzbank. Anteile am ETFS Physical Gold (WKN A0N62G) landeten ebenso häufig in den Anlegerdepots wie am Gold Bullion Securities (WKN A0LP78) und an Xetra-Gold (WKN A0S9GB). "Insgesamt verbuchen wir etwa 50 Prozent mehr Zu- als Abflüsse."
Goldprodukte von ETF Securities verzeichneten auf Wochensicht unterm Strich ein Plus in Höhe von 277,6 Millionen US-Dollar. Dem Offenmarktausschuss ist es nach Meinung der Briten mit seinem leicht bullishen Statement nicht gelungen, die allgemeine Unsicherheit am Markt zu zerstreuen.
Zinsen bleiben im Keller
Peters geht davon aus, dass sich die Realzinsen weiterhin auf einem für Gold günstigen Niveau halten werden. Das locke vermutlich unterinvestierte Anleger in das gelbe Edelmetall. Die Federal Reserve werde es aller Voraussicht nach nicht darauf ankommen lassen, die Zinserwartungen der Marktteilnehmer zu sehr in die Höhe zu treiben. Allerdings könne es bei Gold angesichts des "Katz- und Maus-Spiels" der US-Währungshüter in den kommenden Monaten durchaus immer mal wieder zu Preisrücksetzern kommen. Seit Januar hat sich der Goldpreis um 27 Prozent verteuert, eine Feinunze ist derzeit für 1.364 US-Dollar zu haben.
Die Breite überzeugt
Edelmetalle profitierten laut Mohr insgesamt von der steigenden Unsicherheit. Palladium- (WKN A0N62E), Silber (WKN A0N62F) und Platin-ETCs (WKN A0N62D) belegten allesamt in der Umsatzstatistik auf der Kaufseite einen vorderen Rang. "Diskussionen um den Zustand italienischer Banken und geopolitische Unsicherheiten lassen Anleger nicht kalt." Ebenfalls beliebt sei ein hauseigenes ComStage-Produkt (WKN ETF090), das die Wertentwicklung des Commerzbank Commodity Index mit seinen zwölf Rohstoffen aus den Bereichen Energie, Edel- und Industriemetalle widerspiegelt. "Hier ist das verwaltete Vermögen kräftig gewachsen."
Umfeld für Öl bleibt schwierig
Die Stimmung an den Ölmärkten hat nach dem jüngsten Einbruch einen erneuten Dämpfer erhalten, wie Frank Klumpp bemerkt. Die Nordseesorte Brent verlor im vergangenen Monat von rund 50 auf 41 US-Dollar pro Barrel, das amerikanische Öl WTI gab von knapp 49 auf gut 39 US-Dollar nach. "Nach der klassischen Definition befinden sich Brent und WTI an der Schwelle eines Bärenmarktes, nachdem die Verluste seit dem Zwischenhoch von Anfang Juni auf nahezu 20 Prozent angewachsen sind", meint der Rohstoffanalyst der LBBW. Statt eines erwarteten deutlichen Abbaus verkündete die Energy Information Administration (EIA) im Rahmen ihres wöchentlichen Berichts in den USA einen Ausbau der landesweiten Rohöl-Lagerbestände um 1,7 Millionen Barrel. Gleichzeitig sei der Benzinvorrat trotz "Driving Season" um 452.000 Barrel angeschwollen.
"Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf den Mineralölmärkten lässt wohl noch eine Weile auf sich warten", urteilt Peters. Zum einen gewinne die Förderung bei Brent-Notierungen über 50 US-Dollar pro Fass zusätzlich an Dynamik. Andererseits gebe es bei Öldestillaten für den Transportsektor mittlerweile auch eine Angebotsschwemme, die durch Diesel-Exporte der Raffinerien in China noch verstärkt werde.
Als Indiz für den anhaltenden Druck wertet Peters die erneute Kürzung der Investitionen bei den Ölproduzenten. Im Rahmen der Zahlen für das zweite Quartal hätten die Konzerne durch die Bank bei den Investmentplänen den Rotstift angelegt. "So reduzierte etwa ConocoPhillips sein Budget bereits zum dritten Mal im laufenden Jahr, Statoil und Royal Dutch Shell kürzten um jeweils 1 Milliarde US-Dollar." Selbst die zuversichtlicheren BP und Total hätten ihr Budget gestutzt.
Statt weniger kommt mehr
Gegen eine Entschärfung des Überangebots an Öl spricht laut Eugen Weinberg auch die jüngste Umfrage von Reuters. Demnach hat die OPEC ihre Produktion im Juli um weitere 100 Tausend Barrel pro Tag ausgeweitet. Mit täglich 33,41 Millionen Fässern liegt die Förderung dem Rohstoffanalysten der Commerzbank zufolge auf einem Mehrjahreshoch. Verantwortlich für den Anstieg zeichneten sich Nigeria und der Irak. "Möglicherweise kommt demnächst auch aus Libyen zusätzliches Angebot an den Markt." Die staatliche Ölgesellschaft NOC plane nach der Wiederinbetriebnahme zweier wichtiger Öl-Häfen mit einem Produktionsplus von täglich 150.000Barrel. "Bis zum Jahresende soll die Produktion auf 900.000Barrel steigen." Das entspreche - verglichen mit dem jetzigen Produktionsniveau - einer Steigerung von 600.000Barrel pro Tag.
Als zusätzliche Belastung sieht Weinberg die Senkung der offiziellen Verkaufspreise Saudi Arabiens für asiatische Kunden im September um 1,30 US-Dollar je Barrel. "Das entspricht der stärksten Preissenkung seit fast einem Jahr und deutet auf eine neue Runde im Kampf um Marktanteile hin."
Öl: Investoren vermuten Potenzial nach oben
Anleger reagierten auf den Preisverfall mit Neupositionierungen in Öl-Produkten. Mit Blick auf die vergangene Woche meldet ETF Securities ein Plus bei Rohöl-ETCs in Höhe von 35,3 Millionen US-Dollar. Öl-Werte (WKN A0KRJX), die von steigenden Notierungen profitieren, hätten mit 40 Millionen US-Dollar so hohe Zuflüsse gesehen wie seit Februar nicht mehr. "Anleger betrachten die Schwäche von Brent offenbar als Kaufgelegenheit" kommentiert Jan-Hendrik Hein.
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